Kulturraum NRW


Biennale Venedig 2013: 55. Internationale Kunstausstellung

Angola 12 points

Vom 1. Juni bis 24. November 2013 richtet die 55. Internationale Kunst­ausstellung im Rahmen der Biennale di Venezia einen enzyklopädischen Palast ein, stellen 88 Länder (von Andorra bis zum Vatikan) ihr Kunstschaffen aus, tauschen Franzosen und Deutsche die Spielstätte, ist viel China und gewinnt Angola einen Goldenen Löwen.

Padiglione Centrale. Giardini, Venezia. Foto: jvf

In der 55. Auflage der venezianischen Kunstbiennale steht die zentrale Ausstellung, kuratiert von Massimiliano Gioni, unter dem Label „Der Enzyklopädische Palast“. Werke von mehr als 150 Künstlern aus dem 20. und 21. Jahrhundert sind im Padiglione Centrale und im Arsenale versammelt und werden ergänzt von historischen Artefakten und Fundstücken. Die sollen zusammen eine Einsicht vermitteln in die Rolle bildlicher Vorstellung und Praxis als Methode zur Strukturierung von Weltwissen. So in etwa das Konzept, das Gioni für seine Ausstellung formuliert und das in der epistemologischen Ausweitung des Gegenstandsbereichs von Kunstschauen ein bisschen an Christov-Bakargievs Konzept der letztjährigen Documenta erinnert.

Il Palazzo Enciclopedico

Marino Auriti: 2002.35.1in_situ.jpg. Marino Auriti with the Encyclopedic Palace of the World. Photographer unidentified, c. 1950s. Collection American Folk Art Museum, New York.Marino Auriti with the Encyclopedic Palace of the World Photographer unidentified, c. 1950s. Collection American Folk Art Museum, New York.Inspiriert sieht sich dieses Unterfangen allerdings mehr vom italo-amerikanischen Automechaniker und Autodidakten Marino Auriti (1891-1980), der in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts an seiner Idee und seinem Modell eines Universalmuseums bastelte: In Washington D.C. sollte der „Enzyklopädische Palast“ 136 Stockwerke und 707 Meter hoch alles Weltwissen und alle Werke der Menschheit umfassen, alles vom „Rad bis zum Satelliten“, jede „Entdeckung, die bereits gemacht wurde oder zukünftig möglicherweise gemacht wird“. Das Gebäude wäre heute nicht einmal mehr das höchste Gebäude der Welt – da ist der برج خليفة in Dubai vor, der locker 120 Meter höher ist, Auritis Pläne wurde aber leider trotzdem nicht ausgeführt.

Den Auftakt zur temporären venezianischen Variante eines Universalmuseums macht C.G. Jungs „Das rote Buch“, in ihrem Zentrum steht eine, von Cindy Sherman zusammengestellte Ausstellung in der Ausstellung zur Rolle von Bildern in der Selbtwahrnehmung, dazwischen sind Werke zu sehen, u.a. von Pawel Althamer, Carl Andre, Hans Bellmer, Tacita Dean, Jimmie Durham, Fischli&Weiss, Duane Hanson, Maria Lassnig und Marisa Merz (die beide für ihr Lebenswerk mit einem Goldenen Löwen ausgezeichnet werden), Steve McQueen, Bruce Nauman, Albert Oehlen, Shinro Ohtake, Otto Piene, Dieter Roth, Tino Sehgal (ausgezeichnet als bester Künstler). Mal schauen.

Pavillon Angola - Luanda, Encyclopedic City. Edson Chagas auf der 55. Internationale Kunstausstellung, Der Enzyklopädische Palast, Biennale di Venezia. Foto: Italo Rondinella, Courtesy la Biennale di Venezia2. Teil: Die Goldenen Löwen
Vier goldene und einen silbernen Löwen hatte die fünfköpfige Jury der Biennale unter Vorsitz von Jessica Morgan zu vergeben. Angola hat es getroffen, Tino Sehgal, Camille Henrot, fürs Lebenswerk Maria Lassnig und Marisa Merz. [mehr]

La Santa Sede, Francia und Germania

Zentral kuratierte Ausstellungen gibt es auf der Biennale erst seit 1993, seit 1998 regelmäßig. Das Kernstück machen aber weiterhin die, nach Art einer Weltausstellung national oder multinational organisierten Beiträge in den Pavillons, 88 sind es in diesem Jahr, von Angola bis zum Vatikan.

Pavillon Deutschland auf der 55. Internationale Kunstausstellung, Der Enzyklopädische Palast, Biennale di Venezia. Foto: jvf3. Teil: Die Nation und die Giardini
Auf der 55. Kunstbiennale tauschen Deutschland und Frankreich den Pavillon, lässt Alfredo Jaar die Biennale absaufen, liegt Paris an der chinesischen Ostküste, ist einem Froschgott zu huldigen und gibt es Streit unter Argentiniern. [mehr]

Arsenale, 55. Internationale Kunstausstellung, Der Enzyklopädische Palast, Biennale di Venezia. Foto: jvf4. Teil: Das Kapital und die Krise
Im russischen Pavillon regnet es Goldtaler, im griechischen Haus wird das allgemeine Äquivalent und die Symbolproduktion kurzgeschlossen und die Katalanen dokumentieren das Leben von Arbeitslosen im Spanien der Krise. [mehr]

47 Eventi Collaterali

Siebenundvierzig, von nichtstaatlichen Organisationen veranstaltete Kollateralereignisse haben den offiziellen Stempel der Biennale erhalten. Das Moskauer Museum der Modernen Kunst organisiert eine Ausstellung zur russischen Kunst der letzten vier Jahrzehnte und zeigt über 100 Werke unter dem Titel „Lost in Translation“, die Common Guild aus Glasgow zeigt Arbeiten von drei schottischen Gegenwartskünstlern, das Museum of Everything zeigt Sachen von Carlo Zinelli, die Written Art Foundation organisiert eine Ausstellung mit Werken von Lawrence Weiner und lässt seine Installation „The Grace of a Gesture“ auf vaporetti durch Venedigs Kanäle schiffen.

Bemerkenswert die chinesische Präsenz im Rahmenprogramm: Das Museum für Gegenwartskunst Schanghai macht eine Ausstellung mit Zeichnungen aus dem Regenwald von Xishuangbanna, das Museum für Gegenwartskunst Chengdu organisiert eine Rückschau auf die chinesische Kunst der Biennalen der letzte zwanzig Jahre, das Nationale Zentrum der Jugend kümmert sich um die kulturelle Bedeutung des 京杭大运河, des chinesischen Kaiserkanals, das Kunstmuseum Guangdong zeigt chinesische Kunst der letzten drei Jahrzehnte, das Museum für visuelle Kultur Hongkong stellt Arbeiten von Lee Kit aus („You (you)“), die Kunsthochschule Taiwan präsentiert Werke dreier taiwanischer Künstler zur Farbe Grün („Rhapsody in Green“) – und Ai Weiwei zeigt Stahlträger von Schulen, die in Folge des Erdbebens 2008 in Sichuan eingestürzt sind und sechs Dioramen, die seine Erfahrungen aus der Zeit der Inhaftierung reflektieren. Mal sehen.

55. Esposizione Internazionale d’Arte. La Biennale di Venezia. K: Massimiliano Gioni. Venedig, 1. Juni – 24. November 2013.