Biennale Venedig 2024: 60. Internationale Kunstausstellung
„Alle Menschen sind Ausländer – fast überall“
Vom 20. April bis 24. November 2024 wird in Venedig wieder die Kunstbiennale toben. Der künstlerische Direktor der 60. Esposizione Internazionale d’Arte, Adriano Pedrosa, stellt seine Schau unter das Label „Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere“.

Bereits am 20. April 2024 eröffnet die 60. Kunstbiennale in Venedig und hält damit an der 2022 eingeführten, verlängerten Laufzeit von gut sieben Monaten fest. Die verschaffte der Biennale in der Vorauflage einen Rekordbesuch: Mehr als 800.000 verkaufte Tickets waren es nach Angaben der Veranstalter.
Während der sieben Monate machen die Zentralausstellung, die Ausstellungen in den nationalen Pavillons („Partecipazioni nazionali“), die Nebenausstellungen („Eventi collaterali“) und die inoffiziellen Parallelausstellungen zusammen die weltweit größte Anhäufung in Sachen Gegenwartskunst.
Als künstlerischer Leiter der 60. Esposizione Internazionale d’Arte und Kurator der Zentralausstellung wurde Adriano Pedrosa engagiert. Der 1965 in Rio de Janeiro geborene Ausstellungsmacher arbeitet seit 2014 als künstlerischer Direktor des Museu de Arte de São Paulo. Biennaleerfahrung hat Pedrosa zuvor als (Co-)Kurator auf den Biennalen von São Paulo, Istanbul und Shanghai gesammelt.
Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere

Die Zentralausstellung im Arsenale und dem Padiglione Centrale stellt Pedrosa unter das Label „Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere“. Der Titel sei einer Werkserie des Konzeptkunstkollektivs Claire Fontaine entliehen und gehe zugleich zurück auf den Namen eines Turiner antirassistischen Kollektivs in den frühen 2000er Jahren.
Die Biennale Arte 2024, erläutert Pedrosa, werde „sich fokussieren auf Künstler:innen, die selbst Ausländer:innen, Immigrant:innen, Ausgewanderte, in der Diaspora, Emigrierte, Exilierte und Geflüchtete sind – insbesondere jenen, die zwischen dem globalen Süden und dem globalen Norden gewandert“ seien:
Die Figur des Ausländers oder der Ausländerin wird mit dem Fremden, dem straniero, dem estranho, dem étranger assoziiert. Deshalb wird die Ausstellung auch Produktionen mit verwandten Themen entfalten und fokussieren: Queere Künstler:innen, die zwischen verschiedenen Sexualitäten und Gendern gewandert sind, oft verfolgt oder geächtet; Außenseiterkünstler:innen, die an den Rändern der Kunstwelt verortet sind, ganz so wie auch Autodidakt:innen und die sogenannten Volkskünstler:innen; zudem indigene Künstler:innen, die häufig wie Ausländer:innen im eigenen Land behandelt werden.
Nationale Pavillons

Wichtiger als die Zentralausstellung sind für den Charakter der Biennale aber sicher eher die nationalen und regionalen Ausstellungen. In den festen Pavillons der Giardini, in den Hallen der ehemaligen Schiffswerft (Arsenale) und in Locations verteilt über die ganze Stadt verschaffen sie einen vielfältigen Einblick in das gegenwärtige Kunstmachen weltweit.
Für den Österreichischen Pavillon plant Anna Jermolaewa unter dem Titel A Language of Resistance eine Arbeit zu Sprache und Ausdrucksformen gewaltfreien Widerstands. Die 1970 in St. Petersburg geborene und als 19-Jährige vor politischer Verfolgung nach Wien geflohene Konzeptkünstlerin unterrichtet seit 2019 Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuniversität.
Der Schweizer Pavillon wird von Guerreiro do Divino Amor gestaltet (*1983 in Genf, lebt und arbeitet vorwiegend in Rio de Janeiro). Seine Installation Super Superior Civilizations will sich „kritisch mit der Bildsprache nationaler politischer Mythen, deren Aufladung, Hierarchisierung und Nutzung“ auseinandersetzen.
Neben- und Parallelausstellungen

Neben der Zentralausstellung und den nationalen Beiträgen sind die offiziellen Nebenausstellung und die Parallelausstellungen die dritte Säule des Kunstaufkommens in Venedig zu Zeiten der Biennale.
In 2024 tragen 30 Ausstellungen von Museen, Kulturinstituten, Stiftungen und Galerien den Stempel einer offiziellen Nebenausstellung („eventi collaterali“).
Zu den spektakulärsten Events wird dabei sicher die Ausstellung mit Werken der belgischen Bildhauerin Berlinde De Bruyckere (*1964 in Gent) auf San Giorgio Maggiore zählen: Berlinde De Bruyckere: City of Refuge III.
Aus NRW ist der Düsseldorfer Kunstpalast dabei, der unter dem Arbeitstitel Dichotomy ፊት አና jerba eine Nebenausstellung vorbereitet, über die ich aber noch nichts zu sagen weiß.
Hinzu kommt eine ungezählte Fülle von weiteren Ausstellungen, die mehr oder weniger zeitlich parallel zur Biennale in der Stadt zu sehen sind, aber nicht zum Biennale-Programm gehören: Von Großausstellungen bis hin zur kleinen Galerieschau in irgendeinem Ladenlokal.
Die Gallerie dell’Accademia etwa zeigen Werke, die Willem de Kooning (1904-1997) während zweier Italienaufenthalte geschaffen hat und nimmt deren Wirkung auf spätere Arbeiten in den Blick. Und die Collection Pinault zeigt in der Punta della Dogana Arbeiten von Pierre Huyghe (*1962 in Paris) sowie im Palazzo Grassi von Julie Mehretu (*1970 in Addis Abeba).
Goldene und Silberne Löwen

Auf Vorschlag des Kurators Adriano Pedrosa vergibt das Direktorium der Biennale zwei Goldene Löwen für das Lebenswerk an die brasilianische Künstlerin Anna Maria Maiolino (*1942 in Kalabrien) sowie an die türkische Künstlerin Nil Yalter (*1938 in Kairo).
Die Entscheidung erklärt Pedrosa vor dem Hintergrund seiner Ausstellungskonzeption, die auf Künstler:innen fokussiere, die „zwischen Nord und Süd, Europa und jenseits Europas sowie umgekehrt gereist und migriert“ seien. Daher sei seine Wahl gefallen „auf zwei außergewöhnliche, bahnbrechende Künstlerinnen, die ebenfalls Migrantinnen sind und in vielerlei Hinsicht den Geist von Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere verkörpern“ – so Pedrosa, das Motto der Biennale Arte 2024 zitierend.
Goldene und silberne Löwen werden seit 1986 auf der Kunstbiennale von Venedig ausgeteilt. Neben Auszeichnungen fürs Lebenswerk schüttet die Biennale weitere Löwen für den besten nationalen Pavillon, beste Künstler:innen der Zentralausstellung und beste Nachwuchskünstler:innen aus, die zur Eröffnung der Biennale bekannt gegeben werden.
Auf der letzten Biennale, 2022, ging ein Goldener Löwe für den besten nationalen Beitrag an den britischen Pavillon mit einer Installation von Sonia Boyce (*1962), die Auszeichnung für die beste Künstlerin der Zentralausstellung an die US-amerikanische Bildhauerin und Multimediakünstlerin Simone Leigh (*1967).
Mit einem Goldenen Löwen für das Lebenswerk versehen wurden 2022 die nordrhein-westfälische Künstlerin Katharina Fritsch (*1956) und die chilenische Künstlerin und Dichterin Cecilia Vicuña (*1948). Den Silbernen Löwen als vielversprechendster junger Künstler nahm der libanesische Video- und Installationskünstler Ali Cherri (*1976) mit nach Hause.
Rückblick
Die Biennale von Venedig geht heuer ins 130ste Jahr. Seit 1895 findet die Internationale Kunstausstellung im Zweijahresrhythmus statt (vor allem kriegsbedingt fiel die Kunstschau in einigen Jahren aus – 2021 wurde die Biennale coronabedingt um ein Jahr verschoben).
Rückblick: Die erste Biennale von Venedig 1895
Ia Esposizione Internazionale d’Arte di Venezia
Im April 1895 eröffnet die 1. Internationale Kunstausstellung der Biennale von Venedig. Sie ist ein Publikumsrenner, zeigt ein Skandalbild, zieht prominente Kunstkäufer an. Der Anfang von bald 130 Jahren Geschichte der Biennale. [mehr]
60. Esposizione Internazionale d’Arte. La Biennale di Venezia. Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere. K: Adriano Pedrosa. Venedig, 20. April bis 24. November 2024.
Changelog
- 13.11.2023 Erste Informationen zu Neben- und Parallelausstellungen sowie zu Goldenen Löwen fürs Lebenswerk