Kulturraum NRW


Die 50. Mülheimer Theatertage und der Dramatikpreis 2025

Die Stücke

Vom 10. Mai bis zum 31. Mai 2025 toben in Mülheim an der Ruhr die 50. Theatertage. Zu sehen gibt es unter anderem die sieben Stücke, deren Autor:innen für den Mülheimer Dramatikpreis 2025 nominiert sind.

Mülheimer Theatertage. Flaggen auf der Schlossbrücke

Seit 1976 kümmern sich die Mül­heimer Theater­tage um die deutsch­sprachige Gegen­warts­dramatik. Im Rahmen des Festivals sind an ver­schiedenen Spiel­stätten (heuer: Stadt­halle, Theater an der Ruhr und Ringlok­schuppen) u.a. die sieben Stücke zu sehen, die von einem Auswahl­gremium für den Wett­bewerb um den Mül­heimer Dramatik­preis 2025 nominiert wurden.

Der Dramatikpreis ist mit 15.000 Euro dotiert und wird von einer fünf­köpfigen Jury aus Theater­praktiker:innen und -kritiker:innen am Schluss­tag des Festivals ver­geben.

Zu den früheren Preisträger:innen gehören u.a. Elfriede Jelinek (bereits vier Mal), Rainald Goetz (drei Mal), Dea Loher, George Tabori, René Pollesch (alle je zwei Mal) sowie zuletzt Sivan Ben Yishai (zwei Mal, 2022 und 2024), Caren Jeß (2023) und Ewelina Ben­benek (2021).

Zum ersten Mal ist in diesem Jahr auch der Publikums­preis mit immer­hin 5.000 Euro aus­gestattet. Ausschlag­gebend für dessen Ver­leihung sind Stimm­zettel, mit denen das Publi­kum im An­schluss an jede Auf­führung die Stücke in die hübschen – wenn­gleich etwas schul­noten­haften – Kate­gorien „sehr gut, gut, halb­wegs, gar nicht“ ein­sortieren kann.

Mülheimer Theatertage: Stimmzettel Publikumspreis

Die Stücke

Die heuer für den Mül­heimer Dramatik­preis nominierten Stücke sind:

Doping von Nora Abdel-Maksoud

Nora Abdel-Maksoud, Doping. Münchner Kammerspiele. Şafak Şengül, Stefan Merki, Vincent Redetzki, Wiebke Puls. Foto/Rechte: Judith Buss
Nora Abdel-Maksoud, Doping. Münchner Kammerspiele. Şafak Şengül, Stefan Merki, Vincent Redetzki, Wiebke Puls. Foto/Rechte: Judith Buss.

Der Spitzenkandidat des FDP Orts­verbandes Wenning­stedt-Braderup auf Sylt, der Insel der „pimmel­harten, auto­nomen High-Performer“, hat ein Pro­blem – ein „Pipi­problem“. Die Inkonti­nenz des „brillanten Rhetorikers“ und „Chancen-Nutzer-Pimmel­frosch“ macht sich gerade bei Wahlkampf­auftritten wenig werbe­wirksam sicht­bar.

Was tun, wenn die öffent­liche Gesundheits­versorgung in­folge von eigenen „De­investitions­entscheidungen“ kaputt ist und die private Behand­lung des chro­nisch Inkonti­nenten wg. mangeln­dem ROI ver­weigert wird? Und zu­letzt: Kann eine „feminis­tische Konter­revolution“ gelingen?

Nora Abdel-Maksouds Farce über den politischen Arm des neo­liberalis­tischen Fundamen­talismus spart nicht an starken Sprüchen und absurden Ein­fällen. Und die Urin­szenierung (ha, ha) der Autorin selbst (Mün­chener Kammer­spiele) ist recht kurz­weilig, aber Inkonti­nenz als komödian­tischer Angel­punkt für einen An­griff auf den Neo­liberalis­mus ist viel­leicht doch etwas zu läppisch und auch ein Stück weit ableistisch.

Eins der sieben besten Stücke des letzten Jahres? Das Auswahl­gremium befand, die „Pointen­dichte“ suche „im deutsch­sprachigen Theater ihres­gleichen“. Nun ja, ich weiß nicht: halb­wegs.

Nora Abdel-Maksoud: Doping. R: Nora Abdel-Maksoud. Münch­ner Kammer­spiele, UA: 5. April 2024. Mül­heimer Theater­tage: Stadt­halle, 10. Mai 2025.

Staubfrau von Maria Milisavljević

Maria Milisavljević, Staubfrau. Auftragswerk für das Schauspielhaus Zürich, Regie: Anna Stiepani. Mit: Anita Iselin Soubeyrand, Nancy Mensah-Offei, Lola Dockhorn. Foto: © Sabina Bösch / Schauspielhaus Zürich
Maria Milisavljević, Staubfrau. Auftragswerk für das Schauspielhaus Zürich, Regie: Anna Stiepani. Mit: Anita Iselin Soubeyrand, Nancy Mensah-Offei, Lola Dockhorn. Foto: © Sabina Bösch / Schauspielhaus Zürich.

„Der Boden ist Blut. Unter dem Pflas­ter klafft die Wunde. Dar­unter rast der Fluss.“ Es ist eine Archäo­logie der patri­archalen Gewalt, die Maria Milisavljević in ihrem Stück ent­faltet, von verbaler und struk­tureller Gewalt bis hin zum Femi­zid.

Der „Theatertext für eine oder mehrere weib­lich soziali­sierte Per­sonen“ ver­zichtet auf eine Zuord­nung der Repliken auf defi­nierte Figuren, es sind kollek­tive Erfahrungen und trans­genera­tionale Traumata, die hier ver­handelt werden, in einer Sprache, deren lyrische Qualität, mitunter sogar Klassizi­tät, einen gleicher­maßen ergrei­fenden wie erkenntnis­fordernden Verfremdungs­effekt macht.

Beim ersten Lesen wird schon deut­lich, dass es sich um ein sehr starkes Stück handelt. Beglaubigt wird das durch die Ein­richtung der Urauf­führung (Regie Anna Stiepani) des Auftrags­werks am Schauspiel­haus Zürich und das über­ragende Schau­spiel der drei Darsteller­innen (Lola Dockhorn, Nancy Mensah-Offei, Anita Iselin Soubeyrand).

Das Auswahlgremium machte in Staub­frau ein „ebenso präzises wie konkretes Stück Gesellschafts­beschreibung“ aus. Keine Frage, im Sinne der Publikums­votings: sehr gut.

Maria Milisavljević: Staubfrau. R: Anna Stiepani. Schauspielhaus Zürich, UA: 11. Januar 2025. Mülheimer Theatertage: Theater an der Ruhr, 11./12. Mai 2025.

50. Mülheimer Theatertage. Mülheim an der Ruhr, 10. Mai bis 31. Mai 2025.