Netzwerk Paris 1931-1937 – Ausstellung im arp museum
Abstraction Création
Noch bis 11. Januar 2026 verschafft das arp museum in Rolandseck mit seiner Ausstellung „Netzwerk Paris: Abstraction-Création 1931–1937“ einen konzisen Überblick über die Avantgarde der abstrakten und konkreten Moderne in den 1930er Jahren.

Ausstellungsansicht Netzwerk Paris. Abstraction-Création 1931 mit Werken von Sophie Taeuber-Arp, Foto: Helmut Reinelt.
99 Jahre sollte die offiziell am 15. Februar 1931 in Paris gegründete Künstlervereinigung „Abstraction Création“ bestehen, so hieß es in Artikel 1 ihrer Statuten. Immerhin 6 Jahre, 1931 bis 1937, sind es geworden. Als Vereinszweck festgeschrieben war die Organisation von Ausstellungen mit Werken der nicht-gegenständlichen Kunst („Art non figuratif“).
Es war ein recht exklusiver Club, der zwar nur einen Jahresbeitrag von bescheidenen 40 Francs nahm, aber dessen Mitglied man nur auf Einladung durch das Comité Directeur werden konnte. Zu diesem zunächst achtköpfigen Vorstand gehörten anfangs unter anderen Hans Arp, František Kupka und Georges Vantongerloo.
Die Anzahl der Vereinsmitglieder wurde Anfang 1935 mit „ungefähr fünfzig“ angegeben. Zu den ab 1932 fünfmal erschienenen Almanachen des Vereins haben über die Jahre hinweg gut 90 Künstler:innen Abbildungen ihrer Werke beigetragen. Über 70 Werke von 29 Künstler:innen aus dem Netzwerk hat das arp museum jetzt für seine Sonderausstellung im Richard-Meier-Bau vor Ort.

Erster Cahier: Abstraction création art non figuratif, Nr. 1, 1932, mit Seite für Sophie Taeuber-Arp. Quelle/Source: gallica.bnf.fr / BnF.
Spielarten der abstrakten und konkreten Kunst
Diesseits der Festlegung auf nicht-gegenständliche Kunst blieb die Vereinigung offen für verschiedenste Spielarten der abstrakten bis konkreten Kunst (für diese Offenheit sollte der Doppelname Abstraction-Création stehen) – explizit ausgeschlossen war Kunst des Kubismus, Futurismus und vor allem des Surrealismus, der den damaligen Pariser Markt in Sachen Gegenwartskunst dominierte.
Sehr spannend ist eingangs der Ausstellung eine Zusammenstellung von Beispielen, die sich auf die streng geometrische Konstruktion und die Fokussierung auf Primär- und Nichtfarben von Mondrians Neoplastizismus berufen: U.a. von Piet Mondrian selbst (1872-1944), Theo van Doesburg (*1883, gehörte zu den Gründungsmitgliedern, verstarb aber bereits im Frühjahr 1931), Marlow Moss (1889-1958) und Jean Gorin (1899-1981), der den Neoplastizismus u.a. mit Reliefen und Architekturmodellen ins Dreidimensionale erweiterte.

Marlow Moss, Ohne Titel, 1932. Fondazione Marguerite Arp, Locarno, Foto: Carlo Reguzzi // Jean Gorin, Construction plastique architecturale n° 29, 1934. Musée de Grenoble, Foto: Ville de Grenoble / Musée de Grenoble – N. Pianfetti.
Für eine freiere Farb- und Formensprache in der Malerei stehen in der Auswahl u.a. Werke von Willi Baumeister (1889-1955), Albert Gleizes (1881-1953, durchgängig im Vorstand des Vereins) oder der irischen Malerin Mainie Jellett (1897-1944).
Von Otto Freundlich (1878-1943), Mitglied von 1931-1934 und zeitweilig im Vorstand, sind zwei Farbfeld-Kompositionen und eine Tusche-Arbeit vor Ort. Sie stehen einem Beispiel für die Farbkreise gegenüber, die Robert Delaunay (1885-1941) in den 1930er Jahren wieder umtrieben.

Otto Freundlich, Ohne Titel, 1930er Jahre. Foto: jvf // Robert Delaunay, Cercles simultanés, 1934. Musée de Grenoble, Foto: Ville de Grenoble / Musée de Grenoble – J.L. Lacroix.
Von den konkret arbeitenden Bildhauer:innen sind Kleinplastiken von – neben Hans Arp – Barbara Hepworth (1903-1975), Etienne Beothy (1897-1961) und dem damals noch sehr jungen Schweizer Bildhauer und Maler Max Bill (1908-1994) mit dabei. Ein hübsches Mobile von Alexander Calder (1898-1976) kommt hinzu.
Die Arps, der Markt und der Antifaschismus
Die Anregung zur Gründung der Künstlervereinigung ging, so heißt es, wohl auf Hans Arp zurück und wurde von Theo von Doesburg weiter verfolgt, der allerdings die konstituierende Sitzung des Vorstands im März 1931 nicht mehr erlebte.
In Folge der Weltwirtschaftskrise war der Kunstmarkt selbst in Paris weitgehend eingebrochen, zumal für die Künstler:innen der nicht-gegenständlichen Avantgarde. Sophie Taeuber-Arp schrieb im Frühjahr 1931 an ihre Schwester: „[…] es ist jetzt wirklich fast unmöglich, irgendwas zu verkaufen“. Und fünf Jahre später: „Von dem Ruhm allein können wir leider nicht leben, sonst ginge es uns schon recht gut […]“.

Sophie Taeuber-Arp, Plans et triangles pointe sur pointe (Composition verticale), 1931. © Arp Museum Bahnhof Rolandseck. Foto: Mick Vincenz, VG Bild-Kunst, Bonn 2025 // Hans (Jean) Arp, Menschliche Konkretion, 1933. Von der Heydt-Museum Wuppertal. Foto: Medienzentrum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2025.
Neben den Cahiers und der Vernetzung im Kunstbetrieb versuchte die Vereinigung ab Ende 1933, die Verkaufschancen seiner Mitglieder durch eine dichte Folge von Ausstellungen zu verbessern, in eigens dafür vom Comité angemieteten Räumlichkeiten in prominenter Lage an der Avenue de Wagram Nr. 44, unweit des Arc de Triomphe. Nach etwas mehr als einem Jahr musste der Ausstellungsbetrieb aus finanziellen Gründen eingestellt werden.
Im Sommer 1934 verließen die Arps wegen Streitigkeiten innerhalb der Vereinigung die „Abstraction-Création“, andere gingen mit ihnen oder erklärten wenig später ihren Austritt (Otto Freundlich zum Beispiel im Herbst 1934).
Zu der bedrückenden ökonomischen Lage kam in den 1930er Jahren die Verfolgung von Kunst und Künstler:innen durch die, sich in Europa etablierenden totalitären Regime. Das Comité bezog in seinem Vorwort zum zweiten Cahier (1933) eindeutig Stellung:
Das Heft „Abstraction-Création“ Nr. 2 erscheint zu einem Zeitpunkt, an dem das freie Denken, in allen Formen, auf allen Ebenen, in manchen Ländern mehr als anderswo, aber überall erbarmungslos bekämpft wird. […] Jeder Versuch, künstlerische Bestrebungen aufgrund von Rasse, Ideologie oder Nationalität einzuschränken, ist verabscheuungswürdig. Wir stellen dieses Heft Nr. 2 unter das Zeichen der völligen Ablehnung jeglicher Unterdrückung, gleich welcher Art.
Die Ausstellung sieht zu Recht Parallelen zu gegenwärtigen Bedrohungen der Freiheit durch die postfaschistischen Bewegungen – nicht nur, aber auch – in Europa.
Ausgriff in die Gegenwart
Ob dagegen ein weiterer Ausgriff der Ausstellung in die Gegenwart eine gute Idee war, lasse ich mal weitgehend dahingestellt: Die Schau ergänzt die Kunst der 1930er Jahre um einige Beispiele heutiger abstrakter und konkreter Arbeiten.
Insgesamt zwei Dutzend Stücke Gegenwartskunst schließen die Ausstellung ab, von Altmeistern wie Daniel Buren (*1938), Imi Knoebel (*1940) und Beat Zoderer (*1955) bis hin zu Angela Bulloch (*1966), Kai Schiemenz (*1966), Timo Nasseri (*1972) und Rana Begum (*1977).
Möglicherweise lässt diese Zusammenstellung, deren Kriterien unklar bleiben, die ansonsten so klug und konzise konzipierte Ausstellung in etwas Beliebigkeit auslaufen.
Der Katalog
Der Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag erschienen, umfasst 232 Seiten, ist zweisprachig deutsch-englisch gehalten und im Museum für gerade noch angemessene 38 Euro zu haben. Man kann wegen der kleinformatigen Abbildungen eher von einem Begleitbuch als von einem Katalog sprechen – allerdings kann sich die sparsame Abbildungspolitik immerhin auf das Layout der Cahiers berufen.
Entschädigt wird man durch eine Reihe von lesenswerten Essays, u.a. einem sehr instruktiven Überblicksartikel zu „Abstraction-Création“ von der Kuratorin Astrid von Asten.
Netzwerk Paris. Abstraction-Création 1931-1937. K: Astrid von Asten. Remagen, arp museum Bahnhof Rolandseck, 5. Juli 2025 – 11. Januar 2026.