Kulturraum NRW


Theater in NRW: Die Saison 2024/2025

Eine Merkliste Schauspiel

Aus den Spielzeitheften der Stadttheater in Nordrhein-Westfalen: Was kann man sich für die Spielzeit 2024/25 vormerken? Eine Auswahl von Neuinszenierungen, Erst- und Uraufführungen in Bochum, Münster, Köln, Bonn, Mönchengladbach u.a.O.

Schauspielhaus Bochum. Foto/Rechte: © Hans Jürgen Landes
Schauspielhaus Bochum. Foto/Rechte: © Hans Jürgen Landes.

Saisonauftakt in Bochum

Den Auftakt der Theater­session 2024/2025 möchte man in Bochum ver­bringen. Zur Eröffnung im Schauspiel­haus inszeniert Ulrich Rasche Samuel Becketts (1906-1989) Warten auf Godot (P: 6. September 2024). Das war ursprüng­lich schon für den Mai der voherigen Saison geplant, musste aber auf­grund von Personal­engpässen, Abwesen­heiten und Krankheits­fällen bis jetzt – nunja, pardon – warten.

Drei Wochen später greift dann der Chef des Hauses, Johan Simons, ins Spiel­geschehen ein und bringt Eugene O’Neills (1888-1953) Familien­desaster Eines langen Tages Reise in die Nacht über die Bühne des Bochumer Schauspiel­hauses (P: 27. September 2024).

Dazwischen passt in den Bochumer Kammer­spielen noch die deutsche Erst­aufführung von Selma Kay Matters Grelle Tage (DE: 21. September 2024). Die grimmige Klima­groteske, urauf­geführt Anfang 2023 im Schau­spiel­haus Wien, wird in Bochum von Caroline Kapp eingerichtet.

Starker Herbst in Münster

Theater Münster, Die Ruine im Innenhof des Theaters mit Blick auf das Foyer des Großen Hauses © Oliver Berg
Theater Münster, Die Ruine im Innenhof des Theaters mit Blick auf das Foyer des Großen Hauses © Oliver Berg.

Wer sich einen weiter­gehenden Ein­druck ver­schaffen will von den Stücken und Stärken Selma Kay Matters (*1998), aus­gezeichnet mit dem Nestroy-Preis 2023 in der Kategorie „Bester Nach­wuchs“, kann ab Ende Okto­ber in Münster vorbei­schauen. Im dortigen Studio über­nimmt Alina Fluck die Regie der Urauf­führung einer Komödie aus den letzten Tagen der Mensch­heit: Matters Helena oder Stay safe and sorry (UA: 31. Oktober 2024).

Oder es findet sich schon vorher eine Bahn­verbindung von Bochum nach Münster. Dann sollte man Alt­meister Tom Stoppards (*1937) Leopold­stadt im Großen Haus des Theater Münster nicht verpassen. Johanna Schall zeichnet verantwort­lich für die deutsche Erst­aufführung des Stücks um eine jüdische Familie im Wien des 20. Jahr­hunderts, das von zunehmend mehr als verstörender Aktualität ist. Die Über­setzung des 2020 in London urauf­geführten Dramas hat Daniel Kehl­mann gemacht (DE: 7. September 2024).

Das Kölner Drama

Seit 2012 sind das Opern- und das Schau­spiel­haus am Kölner Offenbach­platz eine Bau­stelle. Die jüngste Termin­prognose geht nunmehr von einer bau­lichen Fertig­stellung Ende 2025 aus. Die ursprüng­­liche Planung zielte auf eine Wieder­­eröffnung im Novem­ber 2015 ab.

Bühnen Köln am Offenbachplatz – in Sanierung. Foto: jvf
Bühnen Köln am Offenbachplatz – in Sanierung. Foto: jvf.

Die Kosten­prognose beläuft sich nach dem letzten publizierten Stand (August 2024) auf 798 Mio. Euro, allerdings muss man hier noch Finanzierungskosten in Höhe von deutlich mehr als 300 Mio. Euro draufrechnen.

Ejal, et es wie et es. Das Schau­spiel übt sich in Sarkas­mus und stellt die Spiel­zeit unter das Motto „For­ever and Ever“. Für das Programm in den Ausweich­spielstätten hat jetzt für ein Jahr Interims­intendant Rafael Sanchez die Verant­wortung, bevor er nächste Session die Leitung des Schau­spiel­haus Zürich über­nimmt.

Auf die Agenda nehme ich zunächst die von Jana Vetten einge­richtete Urauf­führung eines neuen Stücks von Ivana Sokola (*1995), Balkan Drift, das von „Verwandt­schaft und Zugehörig­keit, Klasse und Neid, Fremd­werden und Heimat­suche“ erzählt (UA: 27. September 2024).

Und dann, schon im neuen Jahr, besorgt Poutiaire Lionel Somé die Deutsche Erst­aufführung von Alexandra Badeas (*1980) erstem Teil einer Tri­logie über die Schatten­seiten der europäischen Geschichte: Aus dem Schatten: Thiaroye (urauf­geführt 2018 in Paris) handelt von „trans­generationalen Traumata“ und der „Utopie einer gemein­samen, konstruk­tiven Vergangenheits­bewältigung“ in der Auseinander­setzung mit dem Thiaroye-Massaker, das 1944 von fran­zösischen Kolonial­truppen an den Tirailleurs sénégalais verübt wurde (DE: 10. Januar 2025).

Theaterwinter in Bonn

In den ungemütlichen Monaten will man das ein oder andere Mal in Bonn vorbei­schauen. Wenn man es früher nicht geschafft hat, kann man sich jetzt noch 216 Millionen mit­nehmen. Volker Lösch bringt in Lothar Kittsteins (*1970) Stück Geflüchtete und Schau­spieler:innen auf die Bühne, die von Flucht, Grenz­regimen und Exil erzählen (UA: 13. September 2024).

Ab November – und das ist jetzt zugegeben eine sehr persön­liche Sache, weil da zwei meiner größten literarischen Helden zusammen­wirken – ab November also gibt es in der Bonner Werk­statt Michail Bulgakows (1891-1940) Dramati­sierung von Cervantes’ Don Quijote. Sascha Hawemann hat die Regie (P: 7. November 2024).

Honoré Daumier, Don Quichotte et la mule morte, nach 1864. Lizenz: CC0 1.0, Quelle: Wikimedia Commons
Honoré Daumier, Don Quichotte et la mule morte, nach 1864. Lizenz: CC0 1.0, Quelle: Wikimedia Commons.

Dann, vier Tage nach den Inaugurations­feierlichkeiten für den 47. Präsidenten oder die 1. Präsidentin der Vereinigten Staaten und rund acht Monate vor der Bundestags­wahl inszeniert Katrin Plötner in Bonn die Abrechnung der Nobelpreis­trägerin Elfriede Jelinek (*1946) mit den populis­tischen bis faschis­tischen und vulgär­kapitalis­tischen Feinden der Demo­kratie: Am Königs­weg (P: 24. Januar 2025).

Lokalgeschichten in Oberhausen und Münster

Es ist nicht der geringste Vorzug des verdichteten Stadt­theater­wesens in NRW, dass Dramati­sierungen lokaler Geschichten Anstöße zur bürger­lichen Selbst­verständigung geben können. Zwei Beispiele:

Im Studio des Theater Ober­hausen kommt im Herbst Grabe­land von Nora Bossong (*1982) in der Regie der Intendantin Kathrin Mädler zur Urauf­führung (UA: 31. Oktober 2024). Bossong, 2023 „Metropolen­schreiberin Ruhr“, kümmert sich in ihrem ersten Theater­text um die Gelsen­kirchener Seidenraupen­zucht in der Zeit des National­sozialismus.

Und im Frühjahr bringt Miriam Ibrahim die Urauf­führung von May Ayim in Münster über die Bühne des Kleinen Hauses in Münster (UA: 4. April 2025). Penda Dioufs (*1981) Stück erzählt von der Kind­heit und Jugend der späteren Lyrikerin, Logo­pädin und Aktivistin der afro­deutschen Bewegung, May Ayim, die in der west­fälischen Klein­metropole der 1960er und 1970er Jahre in einem Klima der Angst, Gewalt und rassis­tischen Anfeindungen auf­wächst.

Jubiläen in Aachen und Krefeld/Mönchengladbach

Ein ziemlich beeindruckendes Jubi­läum kann das Theater Aachen in 2025 für sich reklamieren: Vor 200 Jahren, am 15. Mai 1825, wurde das neo­klassi­zistische Haus am Kapuziner­graben eröffnet mit Spohrs Oper „Jessonda“.

Jean Nicolas Ponsart, Ansicht des Stadttheaters in Aachen, 1826. Lizenz: PD-Art, Quelle: Wikimedia Commons
Jean Nicolas Ponsart, Ansicht des Stadttheaters in Aachen, 1826. Lizenz: PD-Art, Quelle: Wikimedia Commons.

Die seiner­zeitige Eröffnungs­oper hat es nicht auf den Spiel­plan der Jubiläums­session geschafft. Ich hätte aber ohne­hin deut­lich eher Nis-Momme Stock­manns (*1981), Anfang 2024 in Stuttgart urauf­geführte Theaterfarce Das Portal empfohlen (P: 22. März 2025).

Nicht ganz auf Augenhöhe mit Aachen in Sachen Ancienni­tät ist das Jubi­läum, das es in Krefeld und Mönchen­gladbach zu feiern gilt. Am 19. April 1950, vor 75 Jahren also, billigten Stadt­verordnete beider Kommunen den Fusions­vertrag zur Gründung der „Ver­einigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchen­gladbach“.

Der Schauspieldirektor Christoph Roos und der junge Regisseur Luis Liun Koch bringen im Theater Krefeld und im Studio des Theater Mönchen­gladbach parallel ihre Inszenierung von Tankred Dorsts (1925-2017) Merlin oder Das wüste Land auf die Bühne. Teile der jeweili­gen Aufführung werden per AV-Stream ins Geschehen am anderen Stand­ort integriert, um „den Gemeinschafts­aspekt des Zweistädte­theaters“ zu betonen. Mal schauen, ob das was taugt (P: 10. Mai 2025).

Wichtiger ist mir aber der Hinweis auf die verdienst­volle Reihe „Außer­europäisches Theater“, in der heuer Zaza Muchemwa (*1986) selber für die Urauf­führung ihres Stücks über Selbst­behauptung und Wider­stand in einem autori­tären Staat sorgt – Theater Mönchen­gladbach: Look­out for Maria (UA: 8. Februar 2025).

Und sonst so im Frühjahr 2025?

In Bochumer Schauspielhaus inszeniert Felicitas Brucker das zweite Stück des noch sehr jungen Bertolt Brecht (1898-1956): Trommeln in der Nacht (P: 11. April 2025).

Nebenan, im Schau­spiel Essen, bringt Felix Krakau die Urauf­führung eines Auftrags­werks von Anne Lepper (*1978) über die Bühne. Die „Komödie des Denkens“ aus dem Geschlechter­kampf ist bis­lang mit dem Arbeits­titel An­ziehen Aus­ziehen – Ein Bildungs­­auftrag gelistet (UA: Mai 2025).

Und im Kleinen Haus des Düssel­dorfer Schauspiels kümmert sich Laura Linnen­baum um die Urauf­führung (!) eines Stücks aus dem Nach­lass der öster­reichischen Schrift­stellerin und Publi­zistin Maria Lazar (1895-1948): Der blinde Passagier (UA: Mai 2025).

Die Merkliste Schauspiel NRW 2024/2025

Die Angaben zu den Aufführungen sind den langfristigen Planungen und Vorankündigungen der Theater in NRW entnommen (Stand August 2024). Bevor Sie zu einem Theaterabend anreisen, informieren Sie sich bitte bei den jeweiligen Veranstaltern über etwaige Planänderungen oder Verschiebungen.