Kulturraum NRW


Theater in NRW: Vorschau auf die Saison 2025/2026

Die Merkliste Schauspiel

Aus den Spielzeitheften der Stadt- und Landestheater in Nordrhein-Westfalen: Was kann man sich für die Spielzeit 2025/26 vormerken? Eine Auswahl von Neuinszenierungen, Erst- und Uraufführungen in Köln, Bochum, Oberhausen, Düsseldorf und anderen Orts.

Schauspiel Köln, Depot 2. Foto: Ana Lukenda
Schauspiel Köln, Depot 2. Foto: Ana Lukenda.

Neuanfang im Schauspiel Köln

Seit nunmehr dreizehn Jahren ziehen sich die sanieren­den Bau­arbeiten an Opern- und Schauspiel­haus am Kölner Offenbach­platz. Schon schön wäre gewesen, wenn der Amts­antritt des neuen Schauspiel­intendanten mit dem Wieder­einzug in die Spiel­stätten in der Kölner Innen­stadt zusammen­gefallen wäre. Aber: Wat wellste maache?

Die bauliche Fertig­stellung ist nun­mehr für das 4. Quartal 2025 prognosti­ziert. Wann dann auch der Spiel­betrieb zurück in die Stamm­häuser ziehen kann, weiß man nicht – auch nicht, ob sich die Wirklich­keit an die Prog­nose halten wird.

Kay Voges wird also zumindest seine erste Saison als Intendant des Schauspiel Köln in den Interims­spielstätten auf dem Carlswerk-Gelände an der Schanzen­straße unter­wegs sein. Die Planung für die Spiel­zeit um­fasst dabei die beacht­liche Anzahl von 29 Premieren. Gut zwei Fünftel davon sind aller­dings Über­nahmen von Insze­nierungen vor­nehmlich aus Wien, wo Voges bislang die Direktion des Volks­theaters inne­hatte.

Anfang 2026 kommt die Dramati­sierung von Arthur Schnitz­lers Fräu­lein Else zu ihrer „Köln-Premiere“. Regis­seurin Leonie Böhm und Schau­spielerin Julia Riedler bringen die (Innere-)Monolog­novelle aus 1924 um sexuali­sierte Macht­ausübung und die „destruk­tive Potenz der bürger­lichen Gesell­schaft“ (Perlmann) als Solo­stück auf die Bühne.

Schauspiel Köln, Spielzeit 2025/26, Fräulein Else. Foto: © Marcel Urlaub
Schauspiel Köln, Spielzeit 2025/26, Fräulein Else. Foto: © Marcel Urlaub.

„Intelligent modernisiert und auch hervor­ragend gespielt“, meinte Die Presse, von einer „Meister­leistung“ und einer „überaus stimmig und präzis gearbei­tete[n] Regie“, sprach Der Standard Anfang 2025 ange­sichts der Premiere in Wien. Und in der Kritiker:innen-Umfrage von Theater heute sammelte Julia Rieder unlängst für ihre Dar­stellung die meisten Stimmen in der Kate­gorie „Schau­spielerin des Jahres 2025“ ein (Depot 1, Ü: 14. Januar 2026).

Dann aber gehört auf jeden Fall auf die Merkliste, wenige Tage später, die Urauf­führung einer Bühnen­fassung von Rolf Dieter Brink­manns Hör­spiel Die Wörter sind böse (1974). Die wesent­lichste Welt- und Köln­beschimpfung, seit es das Genre über­haupt gibt, bringt Wolfgang Menardi über die Rampe des Depot 2: „Köln ist die schmierig­ste Stadt, die ich kenne. Die schmierig­ste, versau­teste, dreckig­ste, blö­deste, verschis­senste, verpinkel­ste, stinkend­ste Stadt.“ (Depot 2, P: 17. Januar 2026).

Mit etwas Sorge lese ich im Kölner Spiel­zeitheft von einem geplanten, fünf­jährigen Schwer­punkt der Intendanz: „Theater und Journa­lismus“. Gemeint sind Recherche­stücke, die v.a. in Kooperation mit dem Medien­haus Correctiv ent­stehen sollen. Ich weiß nicht, ob die Ästhetisierung journalis­tischer Arbeits­ergebnisse wirk­lich eine kluge Sache ist. Zugegeben: Ein weites Feld das.

Jeden­falls kann man in der anstehenden Saison u.a. Arbeiten von Calle Fuhr sehen, der mit seinen Recherche- und Investigativ­stücken am Wiener Volks­theater Ehre einge­legt hat. Auf die Agenda sei Monopoly – Die Revanche genommen, wo es um Staats­schulden, Geld­politik und Volks­wirtschaft gehen wird (Depot 3, UA: 15. Mai 2026).

Schauspielhaus Bochum

Schauspielhaus Bochum. Foto: © Hans Jürgen Landes
Schauspielhaus Bochum. Foto: © Hans Jürgen Landes.

Die überaus erfolgreiche Intendanz von Johan Simons am Schauspiel­haus Bochum geht in die achte und vor­letzte Runde, bevor er im Sommer 2027, dann fast 80-jährig, von Nicolas Stemann abgelöst wird.

Der Chef selbst eröffnet die Spiel­zeit 2025/26 mit einer Dramati­sierung von Dosto­jewskijs Spieler. Auf die Agenda nehme ich aber lieber Leben und Schicksal: Simons Versuch, Wassili Grossmans monumen­talen, in der Sowjet­union verbotenen Kriegs­roman zusammen mit Schosta­kowitschs 10. Symphonie zu einem Musiktheater­abend zu ver­binden (Schauspiel­haus, P: 25. April 2026).

Aus alter Anhänglichkeit an das Werk des Autors und zugleich aus beruf­lichem Eigen­interesse merke ich mir auch Georges Perecs Gehalts­erhöhung vor. Das 1970 in Paris urauf­geführte Stück des Meisters der potentiellen Litera­tur erkundet auf Basis eines Entscheidungs­baums die viel­fältigen (Un-)Möglich­keiten, erfolg­reich um Gehalts­erhöhung zu ersuchen. Albrecht Schroeder richtet das für die Bühne der Kammer­spiele ein (Kammer­spiele, P: 21. Februar 2026).

Schauspielhaus Bochum. Programm­präsentation 2025/2026 mit Perecs „Die Gehalts­erhöhung“. Foto: © Daniel Sadrowski
Schauspielhaus Bochum. Programm­präsentation 2025/2026 mit Perecs „Die Gehalts­erhöhung“. Foto: © Daniel Sadrowski.

Bereits zwei Wochen zuvor inszeniert die slowenische Regis­seurin Mateja Koležnik die deutsch­sprachige Erst­aufführung von Tiago RodriguesCatarina oder Von der Schönheit, Faschisten zu töten. Das 2020 ent­standene Stück, das in den Folge­jahren in der Ur­inszenierung durch halb Europa tourte, stellt die komplexe Frage nach der Legi­timität von nicht-staatlicher Gegen­gewalt in Vertei­digung von Frei­heit und Demo­kratie. Der portu­giesische Theater­macher Rodrigues arbeitet heute als Künst­lerischer Leiter des Festivals d’Avignon (Schauspiel­haus, DSE: 7. Februar 2026).

Starkes Programm des Theater Oberhausen

Das Theater Ober­hausen liegt etwas außer­halb des Fokus der bundes­weiten, manch­mal auch der NRW-weiten Aufmerksam­keit. Das ist zu Un­recht so. Seit Jahren – viel­leicht besonders seit Kathrin Mädler 2022 die Leitung des Hauses über­nommen hat – gehört das Programm des Theaters am Will-Quadflieg-Platz zu den spannend­sten im Land.

Für die Saison 2025/26 hat sich das Haus zum „Minis­terium gegen Einsam­keit“ ermäch­tigt und ver­sucht zu­gleich, laufende Umbau­arbeiten im Haus als kreativitäts­fördernde Heraus­forderung anzu­nehmen. Auf die Merk­liste nehme ich drei Insze­nierungen.

Theater Oberhausen. Außenansicht, 2012. Foto: Roger Weil, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Quelle: Wikimedia Commons, Ausschnitt / Drehung: jvf
Theater Oberhausen. Außenansicht, 2012. Foto: Roger Weil, Lizenz: CC BY-SA 3.0, Quelle: Wikimedia Commons, Ausschnitt / Drehung: jvf.

Im Winter steht auf dem Programm die deutsch­sprachige Erst­aufführung einer Komödie des ameri­kanischen Erfolgs­dramatikers Matthew López, der mit Tony und Olivier Awards auf beiden Seiten des Teichs ausge­zeichnet wurde. Die Kritik war ange­sichts der Urauf­führung von Eine perfekte Hoch­zeit 2018 in Denver aller­dings nicht uneinge­schränkt über­zeugt: Das Stück habe „einige bissig-witzige Dialoge, aber die Clever­ness geht selten über die Leichtig­keit einer Sitcom hinaus“, befand seiner­zeit die Denver Post. Nun, man wird sehen (Bühne Großes Haus, DSE: 6. Dezember 2025).

Im neuen Jahr dann inszeniert Nele Schillo Maria Milisavljevićs Staub­frau. Das von einer sehr poetischen Sprache getragene Stück ent­faltet eine Art Archäo­­logie der patri­archalen Gewalt, von ver­baler und struk­­tureller Gewalt bis hin zum Femi­­zid. Sehr zu Recht gewann Milisavljević damit den Mülheimer Dramatikpreis 2025 mitsamt Publikums­preis (Studio, P: 15. Januar 2026).

Und im Frühjahr bringt die ukrainische Regis­seurin Tamara Trunova die deutsch­sprachige Erst­aufführung von Mutter über die Studio­bühne. Das auto­bio­graphisch geprägte Stück des Leiters des Pariser Théâtre national de la Colline, Wajdi Mouawad, wurde 2021 in dessen eigenem Haus urauf­geführt und ver­sucht ein „tragi­komisches“ (Libération) Psycho­gramm der Mutter, die vor dem Hinter­grund des liba­nesischen Bürger­kriegs an Krieg, Flucht und Exil zer­bricht (Studio, DSE: 30. April 2026).

Stücke von Wajdi Mouawad

Wenn wir gerade bei Wajdi Mouawad sind: Vom liba­nesisch-kana­dischen Theater­macher (*1968, Dair al-Qamar) gibt es in dieser Saison in NRW noch mehr zu sehen.

Am Theater Münster kümmert sich Moritz Sost­mann um die Deutsche Erst­aufführung von Wajdi Mouawads Die Wurzel aus Sein. Das 2022 am Théâtre de la Colline urauf­geführte Stück zeigt fünf mög­liche Lebens­wege eines Men­schen, der als Kind vor dem liba­nesischen Bürger­krieg fliehen musste. Die poten­tiellen Lebens­wege kreuzen und über­lagern sich an dem Tag der desas­trösen Explo­sion im Hafen von Bei­rut, im Au­gust 2020.

Angesichts der deutsch­sprachigen Erst­aufführung im Früh­jahr 2025 am Wiener Akademie­theater (in der Regie des Ex-Kölners Stefan Bach­mann) zeigte sich der Kritiker von nachtkritik.de etwas übel­launig und verständnis­los – andere waren dagegen zwar etwas ver­wirrt, aber angetan bis ange­fasst. Man wird sehen (Kleines Haus, DE: 23. Januar 2026).

Das Schauspielhaus Düssel­dorf hat unter­dessen für März 2026 eine Neuein­spielung von Verbren­nungen in Aus­sicht gestellt (UA: 2003). In der Regie von Bassam Ghazi und im Rahmen der partizi­pativen Sparte „Stadt:Kollektiv“ wird das wohl bekann­teste Stück des Autors – nach früheren Insze­nierungen u.a. in Krefeld und Möncheng­ladbach, Dort­mund und zuletzt Essen – jetzt in Düssel­dorf zu sehen sein (Kleines Haus, P: März 2026).

Der aktuellste Klassiker: Ionescos Nashörner

Albrecht Dürer, Rhinoceron, 1515. Feder und Tinte auf Papier. British Museum, London. Lizenz: © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0, Quelle: British Museum, Ausschnitt: jvf
Albrecht Dürer, Rhinoceron, 1515. Feder und Tinte auf Papier. British Museum, London. Lizenz: © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0, Quelle: British Museum, Ausschnitt: jvf.

Ganz was anderes oder auch nicht: Wie funktioniert das eigent­lich, dass post­faschistische und andere neo­autorita­ristische Parteien und Bewe­gungen, Menschen in Demo­kratien auf ihre Seite ziehen können? Wer sich rat­los und etwas ver­zweifelt in der Welt nach Ant­worten um­schaut, könnte viel­leicht im Theater fündig werden.

Ich empfehle einen Klassiker des sogenannt absurden, viel­leicht aber wesent­lich realis­tischen Theaters: Eugène Ionescos Die Nas­hörner. Gleich an zwei Bühnen in NRW werden in der Spiel­zeit 2025/26 Neu­insze­nierungen der Parabel auf den ideo­logischen Massen­wahn, die „rhino­cérite“, einge­spielt.

Am Düsseldorfer Schau­spielhaus richtet Selen Kara, derzeit Co-Intendantin des Schau­spiel Essen, im Dezember 2025 ihre Insze­nierung ein (Großes Haus, P: 12. Dezember 2025). Das so nieder­schmetternd aktuelle Stück wurde 1959 in deut­scher Über­setzung am Düssel­dorfer Schauspiel­haus urauf­geführt. Die fran­zösische Original­fassung ging erst drei Monate später, Anfang 1960, über die Bühne des Pariser Odéon-Théâtre.

Und zu Frühjahrsanfang 2026 kontert neben­an in Lippe das Landes­theater Det­mold mit seiner Fassung in der Regie von Jan Stein­bach (Sommer­theater, P: 20. März 2026). Der Stamm­sitz des Landes­theaters feiert heuer übrigens seinen 200. Geburts­tag: Das Haus wurde am 8. Novem­ber 1825 damals als „Hoch­fürstlich Lippische Hof­theater“ eröff­net (mit Mozarts Titus).

Und sonst?

Ganz früh in der Saison kommt am Theater Aachen ein Stück der jungen Süd­tiroler Autorin Miriam Unter­thiner zur Urauf­führung. Blut­brot handelt von der „Ratten­linie“ über den Brenner, jener Flucht­route, auf der führende Nazis nach dem Sturz ihres Regimes sich bevor­zugt nach Argen­tinien abgesetzt haben. Jakob Weiss insze­niert das Stück, das 2025 mit dem Kleist-Förder­preis für junge Dramatik ausge­zeichnet wurde (Kammer, UA: 26. September 2025).

Die Merkliste Schauspiel NRW 2025/26

Die Angaben zu den Aufführungen sind den langfristigen Planungen und Vorankündigungen der Theater in NRW entnommen (Stand August 2025). Bevor Sie zu einem Theaterabend anreisen, informieren Sie sich bitte bei den jeweiligen Veranstaltern über etwaige Planänderungen oder Verschiebungen.

Downloads Spielzeithefte Schauspiel NRW 2025/2026