Tintoretto im Kölner Wallraf-Richartz-Museum
„Der unheimlichste Kopf der Malerei“
Unter dem etwas albernen Titel „Tintoretto – A Star was Born“ zeigt das Kölner Wallraf-Richartz-Museum vom 6. Oktober 2017 bis zum 28. Januar 2018 eine große Sonderausstellung mit Werken des jungen Tintoretto. [Vormerkung]
Jacopo Tintoretto, Selbstporträt, um 1547, Öl auf Leinwand, 45 x 38 cm, Philadelphia Museum of Art. Foto: © Philadelphia Museum of Art. Der 500. Geburtstag des venezianischen Meisters steht gegen Ende 2018, Anfang 2019 an. So genau weiß man das nicht, wann dieser Jacopo Robusti geboren wurde, der vielleicht auch Jacopo Comin hieß, aber unter dem Beinamen il Tintoretto („das Färberlein“) berühmt wurde. Nicht einmal das Internet hilft da weiter. Google ist sich sicher, dass Jacopo am 29. April 1519 geboren wurde, Wikipedia gibt den 29. September 1518 an. Irgendwann dazwischen wird es wohl gewesen sein.
Diese Unklarheit wird nicht verhindern, dass in den nächsten anderthalb Jahren eine ganze Reihe von Ausstellungen sich Tintorettos Geburtstags und seines Werks annehmen. Die umfassendste Schau dürfte eine in Venedig geplante Doppelausstellung in den Gallerie della Accademia und im Palazzo Ducale werden (Herbst/Winter 2018/19).
Den Aufschlag für die Feierlichkeiten macht jetzt aber das Wallraf-Richartz-Museum in Köln mit seiner Ausstellung zum jungen Tintoretto und verspricht Werke u.a. aus Venedig, Mailand, Verona, Modena, Wien, Budapest, Madrid, Amsterdam, Philadelphia und Washington zu zeigen.
Wie Tintoretto einmal sogar Veronese reinlegte
Es gibt wenig gesichertes Wissen über das Leben des jungen Jacopo. Sein frühester Biograph, der Zeitgenosse Giorgio Vasari, war nicht uneingeschränkt begeistert von Tintoretto und räumte diesem in seinen sonst so erschöpfend ausführlichen Künstlerbiographien, den Vite dei più eccellenti pittori, nur wenige Seiten ein.
Vasari lobt zunächst – ein ziemlich starkes Stück – Tintorettos musikalische Fertigkeiten. In Sachen Malerei aber sei dieser „stravagante, capriccioso, presto e risoluto, e il più terribile cervello che abbia avuto mai la pittura“. Man darf sich das nicht zu positiv übersetzen, „außergewöhnlich, sonderbar, schnell und entschlossen – und der unheimlichste Kopf, den die Malerei je gekannt hat“.
Tintoretto hätte einer der größten Maler Venedigs werden können, ist sich Vasari sicher, wenn er nur seine natürlichen Gaben durch sorgsame Studien seiner Vorgänger entwickelt und sich nicht dieser Studien leichthin entzogen hätte.
Jacopo Tintoretto, Die Anbetung der Könige, um 1537/38, Öl auf Leinwand, 174 x 203 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid. Foto: © Museo Nacional del Prado. Madrid.
Gegenüber der expressiven Dynamik von Tintorettos Malerei zeigte sich Vasari wenig verständig. Oftmals gebe jener bloße Entwürfe als fertige Werke aus, die von so grobem Farbauftrag seien, dass die Pinselstriche mehr von Zufall und Ungestüm zeugten als von Zeichenkunst und Urteilskraft.
Er arbeite dabei mit so großer Schnelligkeit, dass seine Werke schon fertig seien, wenn andere noch denken, er habe kaum mit ihnen begonnen. Und Vasari erzählt eine Anekdote, wie Tintoretto einmal sogar Veronese reingelegte, als beim Pitch für einen Auftrag der Scuola di San Rocco jener Veronese und andere Konkurrenten ausschreibungsgerecht Entwurfszeichnungen einreichten, Tintoretto aber gleich das fertige Gemälde mitbrachte.
Hochgeschwindigkeitsmalerei
Diese Hochgeschwindigkeitsmalerei („Prestezza“) ist nicht nur ein Marktvorteil gegenüber den Konkurrenten auf dem engen venezianischen Kunstmarkt Mitte des 16. Jahrhunderts, wo der eine Generation ältere Meister Tizian den Hochpreissektor bedient und sich die Jungen wie Tintoretto und Veronese – auch mit schmutzigen Mitteln – um Aufträge schlagen.
Jacopo Tintoretto, Joseph und Potiphars Weib, Öl auf Leinwand, 54 x 117 cm, Museo Nacional del Prado, Madrid. Foto: © Museo Nacional del Prado. Madrid.
Neben der dramatischen Qualität seiner Tableaus (gerne zitiert wird Jean-Paul Sartres Bonmot von Tintoretto als „ersten Filmregisseur“), manchmal bis ins skurrile getrieben, ist die Expressivität der Malweise der Grund, warum Tintorettos Kunst heute noch eine gewisse Modernität ausstrahlt.
Ein neuer Tintoretto
Die Kölner Ausstellung verspricht auch die Präsentation neuester Forschungsergebnisse, darunter eine Neuzuschreibung, die ein bislang der flämischen Malerei zugeschlagenes, großformatiges Lustgartenpanorama aus der Königlichen Sammlung ihrer englischen Majestät jetzt als Tintoretto ausweist.
Jacopo Tintoretto, Liebeslabyrinth, um 1538 und um 1552, Öl auf Leinwand, 147 x 200 cm, Royal Collection Trust/© Her Majesty Queen Elizabeth II. Foto: © Her Majesty Queen Elizabeth II.
Katalog
Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Hirmer Verlag, umfasst 288 Seiten und rund 270 Abbildungen.
Tintoretto – A Star was Born. Köln, Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 6. Oktober 2017 – 28. Januar 2018.