Kulturraum NRW


Skulpturen in Köln – Ein Rundgang durch die Altstadt-Nord (II)

Von Otto Piene bis Arnaldo Pomodoro

Der 2. Teil des Skulpturenrundgangs durch die Kölner Altstadt-Nord führt von der Hohen Straße bis zum Josef-Haubrich-Hof. Auf dem Weg liegen Arbeiten von Otto Piene, George Rickey, Käthe Kollwitz, Ulrich Rückriem, Merlin Bauer, Harald Naegeli und Arnaldo Pomodoro.

Skulpturen in Köln - Der 2. Teil des Rundgangs. Rechte Kartographie: © OpenStreetMap-Mitwirkende / CC BY-SA 2.0 / ODbL 1.0
Skulpturen in Köln - Der 2. Teil des Rundgangs. Rechte Kartographie: © OpenStreetMap-Mitwirkende / CC BY-SA 2.0 / ODbL 1.0.

Otto Piene, Licht und Bewegung

Etwa 150 m die Hohe Straße hinunter, fällt auf der linken Seite eine Fassade aus dem Rahmen der sonstigen, etwas tristen Konsum­architektur. Otto Pienes Kunst am Bau Licht und Bewegung (1966) wurde seinerzeit vom kunst­sinnigen Herren­bekleider Theo Wormland für sein Kölner Kaufhaus beauftragt.

Insgesamt 629 flache Metall­pyramiden auf quadratischer Fläche decken die zwei Fronten des Eckhauses. Darauf sind in unregel­mäßiger Verteilung an Stecknadeln mit Rundkopf erinnernde Metall­gebilde aufgebracht, die mit Leucht­körpern versehen sind. Ein Rad oben rechts verdichtet die Stecknadeln auf mehreren, unterschiedlich rotierenden Achsen, ein Stab weist aus der Fassade hinauf in den Himmel.

Leider ist von dem titel­gebenden Licht und der Bewegung derzeit nichts zu sehen. Seit Jahren schon steht das Rad still und die Leucht­körper sind ausgeschaltet. Für eine notwendige Sanierung der Elektrik und den anschließenden Betrieb fehlt bislang das Geld. Das stillgelegte kinetische Kunstwerk ist aber auch in diesem Zustand noch eindrucks­voll.

Otto Piene, Licht und Bewegung. Foto: jvf

Otto Piene (1928-2014) war Mitbegründer der Düsseldorfer Künstler­gruppe ZERO und gilt als ein wichtiger Pionier der Lichtkunst. Neben Licht und Bewegung ist von ihm in Köln, in der Neustadt-Nord, im Mediapark, eine Brunnengestaltung zu sehen: Star Pit (1992), die allerdings auch nicht mehr wie geplant funktioniert.

George Rickey, Four Trapezoids as two Rectangles IV

An der Ecke des Kaufhauses links ab, ein paar Schritte die Salomons­gasse hinunter, ist am Rande des Jupp-Schmitz-Plätzchens eine kinetische Skultpur aufgestellt, die noch funktions­tüchtig ist: George Rickeys Four Trapezoids as two Rectangles IV (1987).

Vorbildlich ökologisch wird die Bewegung der zwei metallenen Trapezpaare durch den Wind ausgelöst, was den schweren Elementen und ihren ballett­artigen Bewegungen und Konstellationen eine bezaubernde Leichtig­keit und Eleganz verschafft. Rickey:

Wie der Maler mit Farben und Flächen umgeht, so arbeitet der kinetische Künstler mit Bewegungen, die an gewisse Zeitspannen gebunden sind. Überraschender­weise sind die zu Gebote stehenden Bewegungs­arten recht einfach und klein an der Zahl […] Schwingen, Kreisen, Pendeln, Vibrieren von Teilen, die sich dabei durch den Raum bewegen – auf und ab, hin und her, einmal rechts, einmal links – und die Betonung dieser Bewegungen durch Beschleunigung und Verlangsamen – viel mehr Möglich­keiten gibt es da nicht – aber das bescheidene Spektrum reicht aus, um daraus Meister­werke entstehen zu lassen.

George Warren Rickey, Four Trapezoids as two Rectangles IV. Foto: jvf

George Warren Rickey (1907-2002) gilt als einer der wichtigsten Vertreter der kinetischen Kunst. Mittelbar hat er erheblichen Einfluss auf die Kunst­landschaft in NRW gehabt: Die öffentliche Empörung über die Kosten für seine Drei rotierenden Quadrate gab Mitte der 1970er Jahre den Anstoß für die Einrichtung der „Skulptur Projekte“ in Münster, die seitdem, alle zehn Jahre veranstaltet, als eine der wichtigsten Ausstellung zur Kunst im öffentlichen Raum weltweit gilt.

Käthe Kollwitz, Trauerndes Elternpaar

Wer mag, kann auch noch einen Blick werfen auf das Denkmal für den Kölner Karnevals­musiker Jupp „Schnäuzer“ Schmitz („Am Ascher­mittwoch ist alles vorbei“) auf dem nach ihm benannten Platz.

Dann geht es die Salomons­gasse weiter runter und rechts ab auf Unter Gold­schmied. Links wird für einige Zeit noch ein Bauzaun (für den Neubau Archäo­logisches Zentrum / Jüdisches Museum) den Blick auf das Rathaus versperren. Das rund 90m² große Bronze­relief am Rathaus, die Kölner Wand (1966/71), ist vom Kölner Maler und Bildhauer Ernst Wille (1916-2005).

Hinter dem Wallraf-Richartz-Museum (mit eindrucksvoller Sammlung von Kunstwerken vom Mittelalter bis ins frühe 20. Jahrhundert) ist die Ruine der im Zweiten Weltkrieg zerstörten romanischen Kirche Alt St. Alban erhalten und dem Gedenken an die Toten der Weltkriege gewidmet. In den Überresten des ehemaligen Altarraums ist eine Nachbildung von Käthe Kollwitzʼ Trauerndes Elternpaar (1932/1954) aufgestellt.

Käthe Kollwitz, Trauerndes elternpaar. Foto: jvf

Fast zwei Jahrzehnte hat die Kollwitz mit diesem Werk gerungen. Die Arbeit daran hatte sie aufgenommen kurz nachdem ihr Sohn Peter mit gerade einmal 18 Jahren im Herbst 1914 als Kriegs­freiwilliger an der Westfront getötet wurde.

Immer wieder bricht sie die Arbeit an dem Denkmal ab:

Zur Arbeit muss man hart sein und das, was man gelebt hat, aus sich heraussetzen. Wenn ich beginne, das zu tun, so fühle ich wieder als Mutter, die den Schmerz nicht von sich lassen will.

Im Sommer 1932 schließlich wurden die aus Granit gehauene Figurengruppe – die Gesichtszüge sind die des Elternpaares Kollwitz – auf dem Soldatenfriedhof im westflandrischen Esen-Roggeveld errichtet, da, wo ihr Sohn begraben lag. 1956 wurde sie auf den Deutschen Soldatenfriedhof in Vladso überführt.

1953 erhielt Ewald Mataré (siehe Teil 1 des Rundgangs) den Auftrag für eine Nachbildung der Figurengruppe für St. Alban. Mataré überließ die Ausführung zwei seiner Meisterschüler: Erwin Heerich übernahm die Figur der Mutter, Joseph Beuys kümmerte sich um den Vater. Die Nachbildung ist aus Muschelkalk gearbeitet und anders als das Original ohne Sockel, dafür aber etwas größer gestaltet.

Dem Werk von Käthe Kollwitz (1867-1945) ist in der Kölner Neumarkt Passage ein sehr sehenswertes Museum gewidmet. Der Spaziergang durch die Altstadt-Nord wird später dahin führen.

Ulrich Rückriem, Bleu de Vire

Einige Schritte zurück und dann bei Haus Neuerfels mit Standesamt und Fastnachts­brunnen links, geht es nun durch die Obenmars­pforten und Brückenstraße 250m geradeaus bis zum Kolumbahof.

Ulrich Rückriem, Tempel. Foto: jvf

Seit 2007 ist hier – in einem spektakulären Bau von Peter Zumthor – das Kunstmuseum Kolumba mit der Sammlung des Erzbistums eingerichtet. An dessen Rückseite ist Ulrich Rückriems Bleu de Vire (1988) platziert.

Der nach der Granitart benannte 2,70m x 1,10m x 1,10m große Monolith ist charakteristisch für die Methode Rückriem: Der Stein wird im künstlerischen Prozess entlang von Schnitten und Bohrungen gespalten, Ausschnitte werden gefräst und poliert und der Monolith wieder zusammengefügt.

Ich gebe zu, dass Rückriems brutalistisch-minimalistische Arbeiten für den ersten Blick oft etwas Unnahbares haben. Aber lässt man sich etwas Zeit, so kann man spüren, dass seine Skulpturen nicht nur Fragen der Bildhauerei nach der Wirkung von Material, Volumen, Form und Bearbeitungsprozess auf etwas akademische Weise sezieren, sondern dass sie ein gleichermaßen massives wie fragiles Gravitationszentrum des umgebenden Raums bilden. Oder scheint sich die Umgebung etwa nicht auf den Stein hin zu krümmen?

Wenn am nächsten Tag etwas Zeit ist, rate ich zu einem Ausflug nach Rommerskirchen-Sinsteden, 25km norwestlich von Köln. Dort sind die „Skulpturen-Hallen Ulrich Rückriem“ eingerichtet mit rund 100 Arbeiten des Bildhauers. Das lohnt sich sehr.

Ulrich Rückriem (*1938 in Düsseldorf) studierte – nach Steinmetzlehre und Arbeit in der Dombauhütte – an den Kölner Werkschulen. Er gilt heute als einer der prägenden Impulsgeber der zeitgenössischen Bildhauerei.

Merlin Bauer, Liebe deine Stadt

Wenn man der Raumkrümmung durch Rückriems Monolith glücklich entronnen ist, geht es ein paar Schritte weiter die Brückenstraße entlang, dann links in die Herzogstraße und an der nächsten Ecke wieder rechts in die Streitzeuggasse und über die sechsspurige Nord-Süd-Fahrt, eine der stadtplanerischen Fragwürdigkeiten des Wiederaufbaus Kölns nach dem 2. Weltkrieg.

Merlin Bauer, Liebe deine Stadt. Foto: jvf

Insofern ist das Dach des Querbaus zu Beginn der Unterführung, die die Nord-Süd-Fahrt unter die Füßgängerzone der Schildergasse versenkt, der ideale Standort für Merlin Bauers (*1974 in Graz) Liebe deine Stadt (2005).

Der 26m breite und 4m hohe Schriftzug „Liebe deine Stadt“ ist Teil einer Kommunikationsoffensive und ein Stück Konzeptkunst. Der Abriss der Gebäude am Josef-Haubrich-Hof (2002) und wenig später die Diskussionen (um 2004) in Sachen Abriss oder Sanierung von Opern- und Schauspielhaus gaben den Anstoß, unter diesem Slogan und mit Veranstaltungen sowie Interventionen auf den Wert der Architektur der 1950er und 1960er Jahre hinzuweisen und ihre Bedeutung für den städtebaulichen Charakter des heutigen Köln hervorzuheben.

Harald Naegeli, Kölner Totentanz

Über den Offenbachplatz mit den Baustellen von Opern- und Schauspielhaus und Antoine Bourdelles schöner Sappho (1887/1925) geht es durch Kreuzgasse und Antonsgasse und jenseits der Cäcilienstraße zum Kulturquartier am Neumarkt (für das das Gebäudeensemble des Haubrich-Hofs weichen musste – siehe oben „Liebe deine Stadt“). Heute sind hier das Museum Schnütgen (christliche Kunst), das Rautenstrauch-Joest-Museum („Kulturen der Welt“) und Einrichtungen der Volkshochschule gebündelt.

Auf der Westseite von St. Cäcilien – die Kirche wird für das Museum Schnütgen genutzt – finden wir auf der Vermauerung des ehemaligen Haupteingangs einen Rest von Harald Naegelis Kölner Totentanz (1980/89).

Der „Sprayer von Zürich“ war in den Jahren 1980 und 1981 vier Mal für einige Wochen in Köln unterwegs und soll auf seinen nächtlichen Sprühaktionen mehrere Hunderte Zeichnungen und Zeichen auf Mauern, Wänden und Pfeilern hinterlassen haben.

Tanzende und musizierende Skelette, Totenköpfe, Kreuzigungsszenen, oft mit deutlichem Ortsbezug: Die Street Art des Kölner Totentanzes wurden schon bald wieder entfernt und überstrichen, bis eben auf das Skelett, das den Eingang zu St. Cäcilien versperrt oder auch den Säulenbogen des Westportals am Einsturz hindert. 1989 von Naegeli erneuert, steht es heute unter Denkmalschutz.

Harald Oskar Naegeli, Kölner Totentanz. Foto: jvf

Harald Naegeli (*1939 in Zürich) wurde Ende der 1970er Jahre als „Sprayer von Zürich“ international bekannt. Vor der Strafverfolgung wg. Sachbeschädigung flüchtete er nach Deutschland, wurde aber 1984 an die Schweizer Behörden ausgeliefert. Nach einem halben Jahr der Haft kehrte Naegeli nach Deutschland zurück. Er lebt und arbeitet heute in Düsseldorf.

Arnaldo Pomodoro, Große Huldigung an das technische Zeitalter

Ein paar Schritte zurück Richtung Leonhard-Tietz-Straße und rechts um das Rautenstrauch-Joest-Museum herum, kommen wir auf den Platz vor dem – an sich wenig schmucken – Gebäude der Volkshochschule. Die Fassade des Treppenhauses trägt die Große Huldigung an das technische Zeitalter (1964) des Mailänder Künstlers Arnaldo Pomodoro.

Aus heutiger Sicht hat diese Arbeit einigen retrofuturistischen Charme und gehört zu den interessantesten Bemühungen um Kunst am Bau in Köln. Seinerzeit wurden in der Kölner Lokalpresse die Kosten von 287.000 DM hervorgehoben, die „zwei Mittelständler-Einfamilienhäusern“ entsprächen: Eine „sehr teure Mailänder Krawatte an einem schlichten Kölner Konfektionsanzug“.

Die einzelnen Elemente des 24m hohe und 8m breite Reliefs aus Bronze und farbigem Beton kann man mit monumentalen Schalt- oder Steuerungsvorrichtungen aus analoger Zeit assoziieren, in Teilen auch als Bahnen und Bauteile von Leiterplatten nehmen.

Arnaldo Pomodoro, Große Huldigung an das technische Zeitalter. Foto: jvf

Pomorodo hatte sich 1962 in einem Wettwerb der Stadt Köln mit seinem Entwurf durchgesetzt. Ich lese, er habe gleich zehn verschiedene Entwürfe für den Wettbewerb eingereicht.

Arnaldo Pomodoro (*1926 in Morciano di Romagna) lebt und arbeitet seit 1954 in Mailand. 1964 sammelte er den Preis für Skulptur der Biennale Venedig ein, 1990 den Praemium Imperiale für Skulptur. Im Schiller-Gymnasium in Sülz soll es ein Relief von Pomodoro geben, das ich aber bislang nur als Abbildungen kenne.

Literatur