Kulturraum NRW


Schalcken, „Gemalte Verführung“ – Ausstellung im Wallraf-Richartz-Museum

Der Meister der Kerzen

Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum erinnert noch bis 24. Januar 2016 mit einer umfassenden Retrospektive an das Werk des niederländischen Meisters des Kerzenlichts: Godefridus Schalcken (1643-1706).

Godefridus Schalcken, Selbstporträt, 1695, Öl auf Leinwand, Leamington Spa Art Gallery and MuseumGodefridus Schalcken, Selbstporträt, 1695, Öl auf Leinwand, Leamington Spa Art Gallery and Museum.Um die Wende zum 18. Jahrhundert zählt Godefridus Schalcken zur Handvoll der renommiertesten Meister der nieder­ländischen Malerei und zu den best­verdienenden Künstlern seines Landes. Seine Arbeiten seien „von Anfang an bis zum Ende seines Lebens reichlich bezahlt“ worden, „so dass er die Früchte seines Fleißes noch bei Lebzeiten erntete, was nur Wenigen glückt“, schreibt 1718 sein erster Biograph, Arnold Houbraken, mit einiger Bewunderung.

Dass der Pfarrerssohn aus dem kleinen Kaff Made in Brabant, geboren 1643, trotz Wirtschaftskrise und einer gewissen Markt­sättigung nach dem Goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei sich so erfolgreich am Kunstmarkt etablieren kann, hat – neben dem unbestreitbar vorhandenen Talent – zweibisdrei weitere Gründe.

Rembrandts Enkel

Der junge Gotfrid lernt bei den Rembrandt-Schülern Samuel van Hoogstraten in Dordrecht und später bei Gerrit Dou, dem Großmeister der Leidener Feinmalerei – die Basis für ein sehr vielgestaltiges Werk entsprechend den Bedürfnissen des Marktes und der Auftraggeber: kleinformatige Genreszenen, lukrative Portraits, Stillleben, später großformatigere erotisch-mythologische und religiöse Sujets (gerne auch diese mit erotischem Einschlag für die aristokratische Kundschaft).

Godefridus Schalcken, Die Bekehrung der Maria Magdalena, 1700, Öl auf Leinwand, The Leiden Collection, New YorkGodefridus Schalcken, Die Bekehrung der Maria Magdalena, 1700, Öl auf Leinwand, The Leiden Collection, New York.Er ist zudem ein begabter Networker. Früh knüpft er Kontakte zum Kunstmarkt in Paris und sein internationaler Durchbruch gelingt ihm, als er für vier Jahre nach London geht (1692-96). Die Medici in Florenz und der Kurfürst in Düsseldorf gehören fortan zu seinen Kunden, er portraitiert einige Charaktermasken des gehobenen Adels seiner Zeit, u.a. den englischen und den dänischen König.

Und Schalcken versteht etwas von Marketing. Berühmt und gefragt wird er durch sein Markenzeichen: Feinmalerei, die mit Effekten künstlicher Lichtquellen spielt, Kerze, Fackel oder auch Öllampe, gerne in Kombination mit natürlichen Lichtquellen wie dem Frühmorgen­sonnenlicht bei der Schlafenden Venus mit Cupido.

Das eingeschränkte Genie

Diese Spezialisierung hat indes auch früh ihre Kritiker gefunden. Der englische Kunsthistoriker und Schriftsteller Horace Walpole urteilt 1762 über Schalcken recht vernichtend:

Er ist ein sehr eingeschränktes Genie in der Darstellung eines einzelnen Lichteffekts, worin auch seine gesamte Leistung besteht.

Damit legt Walpole die Basis für die spätere Nichtachtung Schalckens durch Kritiker des 19. und 20. Jahrhunderts. Heute ist er weitgehend vergessen und abgesehen von einigen Experten für niederländischen Malerei wird ihn kaum jemand neben den Lichtgestalten der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts – Rembrandt, Vermeer, de Hooch, Hals, Dou, Steen – überhaupt nur kennen.

Godefridus Schalcken, Schlafende Venus mit Cupido, vor 1685, Öl auf Leinwand, Nationalgalerie PragGodefridus Schalcken, Schlafende Venus mit Cupido, vor 1685, Öl auf Leinwand, Nationalgalerie Prag.

Eine Ehrenrettung

Zur Wiederentdeckung und Ehrenrettung hat das Wallraf-Richartz-Museum in seinem Sonderausstellungsbereich im Untergeschoss jetzt rund 80 Arbeiten versammelt. Das sind etwa ein Drittel der erhaltenen Werke Schalckens. Die Arbeiten sind nicht chronologisch sortiert – die Datierung von Schalckens Werken ist ohnehin oft schwierig – sondern nach Sujets bzw. Themen gehängt: Selbstbildnis und Ambition, Atelier und Künstlertum, Erzählfreude, Sinnlichkeit und Illusion, Portrait und Klientel, Lichteffekte, Höfische Historien sind die Sektionen der Ausstellung betitelt.

Godefridus Schalcken, Die ärztliche Konsultation, undatiert, Öl auf Eichenholz, Mauritshuis, Den HaagGodefridus Schalcken, Die ärztliche Konsultation, undatiert, Öl auf Eichenholz, Mauritshuis, Den Haag.Nicht alle gezeigten Werke sind von gleich hoher Qualität, gerade bei den Portraits findet sich einiges, was eher als kunsthandwerklich einzusortieren wäre. Aber neben der immer noch faszinierenden Lichtregie des Kerzenmeisters ist zum Beispiel ein Meister der erzählenden Genreszene zu entdecken. Da ist etwa Die ärztliche Konsultation (1680/85), das in der niederländischen Genremalerei des 17. Jahrhundert beliebte Motiv der Urinschau aufnehmend, eine durchaus burleske Inszenierung der Tragödie der gefallenen Unschuld und der Komödie frühneu­zeit­licher Schwangerschafts­diagnostik durch einen Quacksalber.

Wie stets – und man kann das gar nicht Wert genug schätzen – kümmern sich die Ausstellungsmacher des Wallraf-Richartz-Museum auch um Aspekte der Materialität von Kunst und um ihre Produktionsmittel. Eine Multimediastation informiert z.B. über den Erhaltungszustand von Schalckens Malerei und entsprechende Restaurations­bemühungen, eine Box veranschaulicht zudem ein Hilfsmittel, das Schalcken für seine Kerzenlichtmalerei verwendet haben soll: Ein kleinraumgroßer Kasten, in dem Modelle mit künstlichem Licht ausgeleuchtet werden können, versehen mit einem Guckloch, vor dem der Maler bei Tageslicht sein Geschäft verrichtet.

Der Katalog und die Heimkehr nach Dordrecht

Der Katalog zur Ausstellung ist in der Museumsausgabe für günstige 29 Euro zu haben, umfasst 312 Seiten, sehr detaillierte, informative Essays und vorbildliche Erläuterungen zu den einzelnen Werken, inklusive Provenienzangaben, bibliographischen Hinweisen und Abbildungen von Vergleichswerken. Alles wäre prima, wenn die Qualität der Abbildungen auch nur halbwegs mit dem Niveau der Textbeiträge mithalten könnte. Aber sie weisen Farbfehler und Detailverluste auf, die bei der Wiedergabe von Feinmalerei unverzeihlich sind.

Die Ausstellung wird im Frühjahr 2016 dann im Dordrechts Museum zu sehen sein. In Dordrecht lebt Schalcken vor seiner Londoner Zeit und bevor er sich später in Den Haag nieder lässt.

Schalcken – Gemalte Verführung. K: Anja K. Sevcik. Köln: Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, 25. September 2015 – 24. Januar 2016. / Schalcken – De kunst van het verleiden. Dordrecht: Dordrechts Museum, 21. Februar 2016 – 26. Juni 2016.