Die Große Kunstausstellung NRW 2010 in Düsseldorf
Rollschuhferkel an Reiskornkreis
Noch bis 14. März ist im Düsseldorfer museum kunst palast junge und etablierte Kunst vornehmlich aus der Rheinprovinz zu sehen und zu kaufen. Im Rahmen der Großen Kunstausstellung NRW 2010 dokumentieren die rund 300, von einer Jury aus Künstlern und Museumsmenschen ausgesuchten, Exponate Tendenzen der hiesigen Gegenwartskunst.
Seit mehr als hundert Jahren schon – und seit 1978 beinahe jährlich – organisiert der Düsseldorfer Verein zur Veranstaltung von Kunstausstellungen diese verdienstvollen Schauen im Kunstpalast. Der Preis der Jury geht in diesem Jahr dabei an den Maler Hermann-Josef Kuhna, mit dessen abstraktem Pointillismus ich aber wenig anfangen kann. Der Förderpreis der Ausstellung geht an Flora Hitzing (*1978), deren umso faszinierendere plastische und zeichnerischen Arbeiten den Ursprüngen organischer und anorganischer Materie, ihren Formen und Metamorphosen nachspüren. Dazu gehört der sehr hübsche absolute Ort, ein aus Gips und Plastik geformtes, einen knappen Kubikmeter füllendes, die Mitte ausparendes Etwas aus schwarz-schleimig überzogener Faserstruktur, das auf einem Gestell aus zwölf spinnenartigen weißen Beinen ruht – wie wenn jemand ein gigantisches, verfilztes Wollknäuel mit Erdöl überklebt hätte. Es würde mich aber auch nicht wirklich wundern, wenn das Ding von Zeit zu Zeit aufleben und arglose Ausstellungsbesucher in seine leere Mitte mit einem genießenden Schmatzen einsaugen würde.
Ist man dieser Gefahr einstweilen entronnen, kann man in dem Düsseldorfer Künstler und Vorstandsmitglied des ausrichtenden Vereins Yong-Chang Chung einen Geistesverwandten der Hitzing entdecken. Im Zentrum seines sieben Meter durchmessenden Teppichs aus Reiskörnern ist eine von schwarz-öligem Bezug überzogene Barke gestrandet oder vielleicht ist das auch ein reichlich ramponiertes U-Boot, jedenfalls heißt das Ding Wohin?.
Aus der Spaßfraktion und Waldrebensamen
Ein wenig zur Spaßfraktion würde ich die beiden Tierliebhaber Peter Nagel (*1963) und Ilona Kohut (*1978) zählen. Nagels Objekte in Form von Nashornwandgehängen ironisieren (oder monumentalisieren) Motive und Materialien von Meistern der klassischen (Gauguin) und weniger klassischen (Lichtenstein , Mike Kelley) Moderne. Die Dortmunder Künstlerin Kohut macht eine putzige Rauminstallation mit lebensnahen Ferkelimitaten in Rollschuhen auf Küchentisch, dessen Beine wiederum auf überdimensionierten bräunlichen Brombeermodellen stehen.
Aus dem Württembergischen sind die sehr anrührenden Arbeiten von Angela M. Flaig zu Gast: filigrane, in Plexiglaskuben geschützte Schalen, Kugeln, Zylinder aus Texturen von Waldrebensamen. Im Kunstmuseum Bonn (in der Ausstellung Ferne Nähe zur Natur in der Kunst der Gegenwart) waren unlängst sehr ähnliche Objekte der Kölner Künstlerin Christiane Löhr zu sehen, die vielleicht noch anmutiger sind.
Arkadien
Leider etwas abseits gehängt (auf dem recht dunklen Wandelgang im zweiten Stock, das kann man leicht verpassen) finden sich drei kleinformatige Visionen aus einem etwas ins Düstere verschobenen, mit anthropozoomorphen Chimären spärlich bevölkerten Arkadien: Bilder der zwischen Düsseldorf und Wales pendelnden Heather Eastes. Ein ins apokalyptische hinüber spielendes Arkadien malt der aus China stammende Jun Jiang (*1982), Meisterschüler beim Preisträger Kuhna in Münster, eine bedrohlich schöne Felslandschaft mit Wasserfall, in die Menschen ihre nackten Betonbauten und Befestigungen getrieben haben und in der sie nackt und isoliert vegetieren.
In Sachen Photographie hat mir besonders gefallen eine vierteilige Serie mit Portraits senegalesischer Frauen, die die, in Duisburg lebende Photographin Britta Lauer aus Dakar mitgebracht hat, und ein eindringlich stolzes Mutter-Kind-Portrait von Ralf Rassloff aus Mülheim.
Ein kleiner Katalog mit spärlichen biographischen Informationen und jeweils einer Werkabbildung je ausstellendem Künstler ist im Kombiticket mit zwei Eintrittskarten für 20 Euro zu haben.
Große Kunstausstellung NRW 2010. Düsseldorf, museum kunst palast – Kulturzentrum Ehrenhof, 21. Februar – 14. März 2010.