Kulturraum NRW


Fotografien von Paul Graham im Folkwang Museum

Thatchers nordirisches Farbfernsehen

Das Essener Museum Folkwang zeigt eine umfassende Retrospektive auf das Werk des englischen Fotografen Paul Graham. Bis Anfang April noch sind dort fast 150 Arbeiten aus elf Werkgruppen zu sehen, die zwischen 1981 und 2006 entstanden sind.

Das Museum selbst ist derzeit überwiegend eine Baustelle (das anstehende europäische Kulturhauptstadtjahr ist schuld) und man muss schon ein bisschen suchen, um den Eingang zum noch bespielten Teil zu finden (an der Kahrstraße). Vielleicht ist das der Grund, warum diese Ausstellung so brechend leer ist. An den ausgestellten Fotografien jedenfalls kann das nicht liegen.

Graham, Jahrgang 1956, hat in den frühen 80er Jahren die britische dokumentarische Fotografie aufgemischt, als er den Farbfilm in Stellung brachte gegen die Tradition des Schwarzweiß. Dass die Farbfotografie sowohl in dokumentarischer als auch in ästhetischer Hinsicht ein Gewinn war, beweisen Grahams frühe Serien A1 – The Great North Road, 1981f. und Beyond Caring, 1984f., in denen er entlang der Nordsüdautobahn und in Londoner Sozialämtern die soziale Wirklichkeit von Maggie Thatchers Großbritannien einfing.

Die Narben, die der nordirische Bürgerkrieg in die Landschaft eingebrannt hat, sind Gegenstand der Serie Troubled Land, 1984-86: Idyllen, die durch randständige Symbole der Gewalt deplatziert werden. Als die Kriegsparteien einen Waffenstillstand erklären, fotografiert Graham Wolkenformationen über der Insel (Ceasefire, 1994).

Der Zauber des Beginnens

Die Television Portraits, 1988ff., gefallen mir am besten: Portraits von Menschen, die fernsehen in ihren Wohnungen zwischen Tokio und Tucson. Mal gedankenverloren, mal aufmerksam starren sie auf etwas, das außerhalb des Bildausschnitts ihnen blaugraues Licht entgegen wirft. Man weiß nicht, was sie da sehen – und weiß es natürlich doch. Aber dadurch dass die Blicke dieser Menschen im Irgendwo gebunden sind, sich Kamera und Betrachter augenscheinlich unbemerkt ein Bild von ihnen machen können, sind das sehr intime Portraits dieser Frauen, Männer und Kinder im Modus der Entfremdung, ganz nah bei sich.

Ganz ähnlich und ganz anders funktioniert End of an Age, 1996ff.: Jungens und Mädchen in der Adoleszenz, wie nebenher fotografiert, mitunter unscharf, im Party- und Gegenlicht oder grellem Blitzlicht. Ihre Augen sind geschlossen oder schauen auf das, was da kommen mag – auch das liegt weit jenseits des Bildausschnitts. Unsicher oder selbstgewiss oder selbstversunken sind sie. Jedenfalls eignet ihnen der Zauber des Beginnens.

Seit 2002 lebt Paul Graham in New York und ist vornehmlich in den USA unterwegs und zeigt weitere Möglichkeiten im Tatsächlichen (A Shimmer of Possibility, 2004ff.).

Clare Strands Romantizismus

Zweidrei Räume hat das Museum Folkwang derweil für Arbeiten von Clare Strand freigeräumt. Eine Generation jünger als Graham und zurück im Monochromen behaupten ihre Fotografien stets ein Geheimnis, etwas Mystisches hinter dem Abgelichteten, das sorgfältig arrangiert ist. Es bleibt bei der Behauptung. Ich halte das für dummes Zeug. Aber ihre Videoinstallation hat etwas verschmitzten Humor, der mir fast gefallen könnte.

Paul Graham. Fotografien 1981-2006. Clare Strand. Fotografie und Video. K: Ute Eskildsen. Essen, Museum Folkwang. 24. Januar / 7. Februar – 5. April 2009.