„Arnt der Bilderschneider“ im Kölner Museum Schnütgen
Die späte Karriere des Meisters Arnt
Unter dem Titel „Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen“ zeigt das Museum Schnütgen bis 20. September 2020 rund 60 Werke des Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle (vor 1450-1491).
Georgsaltar, Detail: Drachenkampf des Hl. Georg, Werkstatt des Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle. Foto: jvf.
Es ist das erste Mal, dass sich eine Ausstellung umfassend dem Werk des spätmittelalterlichen, niederrheinischen Bildhauers Meister Arnt widmet. Ob er wirklich als „Meister der beseelten Skulpturen“ zu sehen ist, wie der Untertitel der Kölner Schau verspricht, lasse ich mal dahingestellt sein.
Aber dass Arnt ganz sicher ein Meister der effektvollen dramatischen Inszenierung ist, belegen die drei vielleicht spektakulärsten Stücke der Ausstellung, drei figurenreiche Altarbilder, aufs Eindringlichste.
Aus dem Pariser Musée de Cluny ist ein Hausaltar mit geschnitzter Mitteltafel angereist. Der Kartäuseraltar mit der Beweinung Christi (um 1483) zeigt eine noch heute ergreifende Beweinungsgruppe vor Golgotahügel.
Noch eindrucksvoller ist der mächtige Georgsaltar (1483-1487) aus der Katholischen Pfarrkirche St. Nicolai in Kalkar, dessen Schnitzarbeiten in zehn höchst dramatisch gestalteten Szenen vom Märtyrer und Drachenbekämpfer erzählen.
Da ist aber vor allen die Altartafel mit einer Anbetung der Heiligen Drei Könige (um 1480/90), die den Anstoß für dieses Ausstellungsprojekt gegeben hat. 1993 konnte das Museum Schnüttgen ein großes Fragment des Reliefs erwerben, das früher Zentralstück eines großen Altars gewesen sein mag. Anfang 2019 gelang es dann, weitere, kleinere Fragmente zu kaufen, die das Stück ergänzen. Warum sie nicht umstandslos dem Bestandsstück angefügt werden können, erklärt in der Ausstellung und im Netz ein kurzes Video.
Anbetung der Heiligen Drei Könige (mit ergänzten Fragmenten), Werkstatt des Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle, 1480–1490, Museum Schnütgen, Foto: Rheinisches Bildarchiv, Köln, M. Mennicken.
Arnt Beeldsnijder
Über das Leben des Meisters wissen wir nicht viel. Arnt muss irgendwann, nicht allzu knapp vor 1450 geboren worden sein. Jedenfalls belegen eine Zahlungsanweisung und Quittung, die in der Ausstellung zu sehen sind, dass er für den Herzog von Cleve 1460 ein Wappenschild geschnitzt hat. Der Quittierende nennt sich „aernt die beeldesnider“ (Arnt der Bildschnitzer).
Er steht in Kalkar und später in Zwolle einer Werkstatt vor. Ende 1491 stirbt er in Zwolle. Man muss vermuten, dass ein Großteil seiner Werke in den Niederlanden während der reformatorischen Bilderstürmereien des 16. Jahrhunderts vernichtet worden ist.
Das einzige erhaltene Werk, das archivalisch gesichert Meister Arnt zugerechnet werden kann, ist der Christus im Grab (1486/87) aus St. Nicolai in Kalkar.
Grabchristus, Werkstatt des Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle, 1486–87, St. Nicolai, Kalkar, Foto: Stephan Kube, Greven.
Der Rest der 135 Positionen des heutigen Werkverzeichnisses (für den Katalog dieser Ausstellung neu erstellt) sind Zuschreibungen, vornehmlich aufgrund von stilistischen Merkmalen, die anhand des Grabchristus ermittelt wurden. Erst in den 1960er Jahren hat man begonnen, Werke, die vorher mit Verlegenheitszuweisungen ausgezeichnet waren – „Meister des Kalkarer St. Georgaltares“ u.ä. – Meister Arnt zuzuschlagen und damit die Basis für seine sehr späte Karriere in der Nachwelt zu legen.
Die letzte Arbeit des Meisters Arnt
Die Kölner Ausstellung schließt mit der mutmaßlich letzten Arbeit, die Meister Arnt fertigstellen konnte: Die Fußwaschung (1491) war eine erste Tafel für die Predella des 1490 bei Arnt in Auftrag gegebenen Passionsaltars für St. Nicolai. Als die Nachricht vom Tod des Bildschnitzers im Januar 1492 in Kalkar eintrifft, eilt ein Emissär des Auftraggebers – der Bruderschaft Unserer Lieben Frau – nach Zwolle, um die angefange Stücke des Altarwerks für Kalkar zu sichern.
Fußwaschung, Werkstatt des Meisters Arnt von Kalkar und Zwolle, 1491. Foto: jvf.
Die ausdrucksvolle, individuelle Gestaltung der Figuren und die Dynamik der Figurenkonstellation der Tafel machen verständlich, warum es dem Auftraggeber nach dem Tod Arnts ausgesprochen schwer gefallen ist, einen Nachfolger für die Vollendung des Altars zu finden. Zwei Probestücke des Arnt-Schülers Jan van Halderen – zum Vergleich in Köln ebenfalls zu sehen – werden nicht überzeugt haben. So bleibt es Ludwig Jupan aus Marburg an der Lahn überlassen, ab 1498 den Altar fertigzustellen (das Retabel ist leider in der Ausstellung nur als – nicht besonders gutes – Video zu Gast).
Der Katalog
Der Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer Verlag erschienen, umfasst 252 Seiten, enthält vier Essays, ausführliche Erläuterungen zu den Einzelwerken, das angesprochene Werkverzeichnis sowie eine umfangreiche Bibliographie. Er kostet in der Museumsausgabe sehr vernünftige 35 Euro.
Die Werkkommentare im Katalogteil sind exzellent. Der Text ist großzügig gesetzt, was leider nicht für die Abbildungen gilt, die viel zu häufig deutlich zu klein geraten sind.
Arnt der Bilderschneider – Meister der beseelten Skulpturen. K: Volker Hille, Karen Straub, Guido de Werd, Moritz Woelk. Köln: Museum Schnütgen, 25. Juni — 20. September 2020.