Kulturraum NRW


Die Theatersaison 2013/2014 in Aachen, Bonn, Koblenz und Trier

Eine Merkliste (2): Die Rheinprovinz Süd/West

In der Session 2013/2014 macht das Theater Bonn einen Reboot, setzt man in Koblenz auf Anarchie und Tanz, versucht das Theater Trier sein Glück und bringt man in Aachen Abul Abbas erneut auf den Weg.

Theater Bonn, Kammerspiele Bad Godesberg. Foto: Sir James. Lizenz: CC BY-SA 3.0. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kammerspiele_Bonn_Bad_Godesberg_20100106b.jpgTheater Bonn, Kammerspiele Bad Godesberg. Foto: Sir James. Lizenz: CC BY-SA 3.0. Quelle: Wikimedia Commons

Am Theater Bonn tritt Bernhard Helmich die Nachfolge von Klaus Weise als Generalintendant an. Weise hat die Bühnen der Stadt Bonn zehn Jahre lang als Intendant überaus erfolgreich geführt, hatte aber vor zwei Jahren bereits erklärt, er stehe für eine Verlängerung seines Vertrages nicht mehr zur Verfügung: Eine Reaktion auf die Sparvorgaben, die ihm die Stadt Bonn vor die Füße gerotzt hatte.

Bonn, Opernhaus

Mit den Sparvorgaben zurecht kommen muss jetzt also Bernhard Helmich, zuletzt Chef des Städtischen Theaters Chemnitz, und er betont, ein „Sparspielplan“ sei das nicht, mit dem er da an den Start gehe. Die Eröffnung der neuen Spielzeit macht – und das alleine ist schon sehr bemerkenswert – eine Gegenwartsoper: Written on Skin von George Benjamin, 2012 bei den Festspielen in Aix-en-Provence mit einigem Erfolg uraufgeführt. In Bonn ist die erste Neuinszenierung des Stücks um Macht, Liebe, Verrat und Rache undsoweiter zu sehen (Opernhaus, P: 29. September 2013).

In Sachen Musiktheater auf die Merkliste kommt zudem Der Traum, ein Leben von Walter Braunfels. Die nach einem „Dramatischen Märchen“ von Franz Grillparzer librettierte Oper schrieb Braunfels Mitte der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts in Bad Godesberg. Braunfels wurde 1933 von den Nazis kaltgestellt, aus seinem Amt als Gründungsdirektor der Kölner Musikhochschule vertrieben und als „Halbjude“ verfolgt. Die Oper konnte erst 1950 vom Hessischen Rundfunk erstmals eingespielt werden und wurde 2001 (!) in Regensburg uraufgeführt (Opernhaus, P: 30. März 2014).

Bonn, Schauspiel

Das Sprechtheater an den Städtischen Bühnen in Bonn verantwortet zukünftig Nicola Bramkamp, die zuletzt als Dramaturgin am Hamburger Schauspielhaus unterwegs war. Für die neue Session geplant sind 18 Neuproduktionen, darunter sechs Uraufführungen. Den Auftakt macht der Versuch einer Dramatisierung des vierten Bandes von Alfred Döblins „November 1918“: Karl und Rosa. Die Regie übernimmt Alice Buddeberg, eine der drei neuen Hausregisseurinnen in Bonn (Kammerspiele, UA: 2. Oktober 2013).

Für Ende 2013 ist die Uraufführung eines Stücks des Autorenduos Nolte Decar angesetzt, mit dem sehr hübschen Titel Helmut Kohl läuft durch Bonn (Werkstatt, UA: 18. Dezember 2013), und Anfang 2014 folgt das „Tryout“ eines neuen Stücks der Schweizer Autorin Sabine Harbeke: Eine Nacht lang Familie. Ein Stück im Entstehen (Halle Beuel, UA: 23. Januar 2014).

Im Frühjahr dann erzählt Dennis Kelly mit seinem, 2012 in Frankfurt uraufgeführten, schon ab September 2013 auch in Essen gespielten Stück, Die Opferung von Gorge Mastromas, von Egoismus und Neoliberalismus (Werkstatt, P: 7. Mai 2014). Und zwei Tage später schon ist Volker Lösch als Gastregisseur vor Ort und richtet die Uraufführung eines neuen Stücks von Gesine Schmidt ein, das vermutlich O alte Burschenherrlichkeit heißen wird (Kammerspiele, UA: 9. Mai 2014).

Koblenz

Theater Aachen. Foto: Martin Möller. Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Stadttheater_Koblenz_2008-10-04_b.jpgTheater Aachen. Foto: Martin Möller. Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE. Quelle: Wikimedia Commons.Weiter rheinaufwärts eröffnet das Theater Koblenz die Session mit Goethes Faust (Großes Haus, P: 6.9.2013). Auffällig in Sachen Sprechtheater ist die Uraufführung eines Stücks von Daniela Dröscher. Die 2012 mit dem Koblenzer Literaturpreis ausgezeichnete Autorin will Eheleute und Ehelose in ihren Beziehungskisten ein- und auspacken (Großes Haus, UA: 26.10.2013). Außer Haus, im Neuen Justizzentrum gleich hinter dem Theater am Deinhardplatz, ist ab Januar 2014 Die Anarchistin zu sehen. Das Stück des amerikanischen Dramatikers und Drehbuchautors („The Untouchables“) David Mamet, ein Dialogduell zwischen einer Anarchistin und ihrer Justizvollzugsbeamtin, wurde am Broadway allerdings nach desaströsen Kritiken bereits am Tag nach der Premiere schon wieder abgesetzt. Und auch die deutsche Kritik befand nach der Deutschen Erstaufführung am Münchener Residenztheater (Januar 2013) recht einmütig, das sei ein schlechtes Stück (Neues Justizzentrum, P: 15.1.2014). Mal schauen.

Ansonsten gibt es in Koblenz kulturelle Grundversorgung: neben dem Faust auch Der zerbrochene Krug und Bernarda Albas Haus, den Freischütz und die Fledermaus, die Verkaufte Braut und den Barbier von Sevilla. Bemerkenswert allerdings die Arbeit des Ballettdirektors Steffen Fuchs, der für die Session 2013/14 u.a. einen Tanzabend mit Musik von Duke Ellington und Bob Brookmeyer plant, American Express (Großes Haus, P: 14.9.2013), ein Tanzexperiment mit Zuschauerintegration durchführen will, 2 x Fensterplatz (Hinter dem Eisernen, P: 25.9.2013), einen Abend mit drei Choreographien von Uwe Scholz einrichten wird, Tausend Grüße (Großes Haus, P: 13.2.2014), und Antonín Dvořáks Stabat Mater vertanzen will (Großes Haus, P: 12.4.2014).

Trier

Theater Trier. Foto: jvfTheater Trier. Foto: jvf.Ganz im Südwesten der Rheinprovinz stellt das Theater Trier seine Spielzeit unter das Motto „Glück-Spielen“. Glückspiel scheint in der Tat noch die vielversprechendste Maßnahme, mit der die Trierer Bühne einigermaßen unbeschädigt aus der Finanzkrise der Stadt herauskommen kann. Gleichviel, neben der musiktheatralischen Grundversorgung (Rigoletto, Fledermaus, Wildschütz, Orfeo ed Euridice) steht die Deutsche Erstaufführung von Howard Shores Oper The Fly auf dem Programm (DE: 18.1.2014). Der Kanadier Shore ist ein begnadeter Filmusik-Komponist (drei Oscars, u.a. für den Herrn der Ringe), mal schauen, ob seine Musik auch einen Opernabend trägt. The Fly wurde 2008 im Pariser Châtelet uraufgeführt.

In Sachen Sprechtheater setzt Trier die Kooperation mit dem luxemburgischen Théâtre Municipal in Esch sur Alzette fort und bringt im Büchnerjahr (200. Geburtstag) u.a. Dantons Tod / Leonce und Lena auf die Bühne (P: 14.12.2013) — an einem Abend? Die Gegenwartsdramatik spielt auf der Studiobühne: Moritz Rinkes Doppelpaar-Beziehungskistenkomödie Wir lieben und wissen nichts (UA im Schauspiel Frankfurt Dezember 2012), ist ab April 2014 im Studio zu sehen (P: 4.4.2014) und im Sommer 2014 startet Theresia Walsers Ich bin wie ihr, ich liebe Äpfel. Das Schaulaufen der drei Diktatorengattinnen Margot Honecker, Imelda Marcos und Leila Ben-Ali wurde im Januar 2013 am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt (P: 14.6.2014). Für den Herbst 2013 ist „ein neues Stück“ angekündigt, über das ich aber noch nichts weiß.

Tanztheaterdirektor Sven Grützmacher plant u.a. eine Winterreise mit Musik von Schubert (P: 12.10.2013), bei deren Bühnenbildnerin ich mich in aller Form für meinen sehr tumben Konversationsversuch unlängst in Trier entschuldigen muss.

Aachen

Theater Aachen. Foto: Martin Möller. Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE. Quelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Aachen_Theatre.jpgTheater Aachen. Foto: Martin Möller. Lizenz: CC BY-SA 2.0 DE. Quelle: Wikimedia Commons.Ganz im Westen der Rheinprovinz bereitet man sich schonmal auf die Jubelfeierlichkeiten zum 1.200 Todestag des ganz großen Karl vor (28. Januar 814). Das Theater Aachen plant dazu ein „mobiles Tanz- und Theaterprojekt“ in der Innenstadt, das Abul Abbas, das legendäre Geschenk Harun al-Raschids an den römischen Kaiser, neu inszeniert: Der weiße Elefant (Draußen, P: 1. Juni 2014).

Auf die Merkliste Musiktheater nehme ich Händels Zauberoper Alcina (Bühne, P: 6. April 2014). In Sachen Gegenwartstheater fallen mir Andres Veiels Erkundigungen im Reich des fundamentalistischen Kapitalismus auf: Das Himbeerreich, im Januar 2013 am DT in Berlin uraufgeführt (Kammer, P: 31. Oktober 2013). Im Mai steht einerseits Lukas Bärfuss’ junger Klassiker (2003) Die sexuellen Neurosen unserer Eltern auf der Agenda (Kammer, P: 30. Mai 2014). Andererseits bereitet Monika Gintersdorfer eine Performance vor, die als Arbeitstitel Partir à l’aventure, den Aufbruch ins Abenteuer, verspricht (Kammer, UA: 9. Mai 2014). Bereits im Winter wagt sich das Aachener Theater an Elfriede Jelineks „Sekundärdrama“ Faustin and Out heran (Bühne, P: 18. Januar 2014).

Merkliste Süd

Die angegebenen Termine sind den langfristigen Saisonplanungen der angeführten Theater entnommen. Bevor Sie auf Basis dieser Termine Ihren Besuch planen, vergewissern Sie sich bitte, dass es keine Termin- oder Planänderungen der Theater gibt.

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