Kulturraum NRW


Frechen – Skulpturenwege in NRW

„24 Entdeckungen“

Der Skulpturenweg des Kunstvereins Frechen führt zu einer Auswahl von Kunstwerken der Mittelstadt im rheinischen Revier, vornehmlich von Frechener Künstler:innen. Der gut 9 km lange Spaziergang füllt einen hübschen Nachmittag.

Rolf Crummenauer, Wachstum, um 1965. Foto: jvf
Rolf Crummenauer, Wachstum, um 1965. Foto: jvf.

Der „Skulpturenweg Frechen“, den der örtliche Kunst­verein 2020 in Form eines kostenlos erhält­lichen Falt­blatts zusammen­gestellt hat, umfasst eine Auswahl von 24 Werken im öffent­lichen Raum der Frechener Innen­stadt und des Orts­teils Hücheln.

Die Plastiken und Skulpturen, Reliefs, Bau­plastiken und Sepulkral­skulpturen sind zwischen 1949 und 2013 entstanden. Es sind meist figür­liche Werke, vornehmlich von Künst­ler:innen, die in Frechen gelebt und gearbeitet oder in der Region gewirkt haben.

Nimmt man alle verzeichneten Standorte mit, kommt ein gut 9 km langer Rundweg durch die Mittel­stadt im rheinischen Revier zusammen. Lässt man sich angemessen Zeit, füllt das einen hübschen Nach­mittag.

Olaf Höhnen

Olaf Höhnen, Klüttenbrunnen, 1986. Detailansichten. Foto: jvf
Olaf Höhnen, Klüttenbrunnen, 1986. Detailansichten. Foto: jvf.

Mehr als ein Drittel der Werke, zu denen der Skulpturen­weg führt, sind Arbeiten von Olaf Höhnen. Der 1933 in Mendig geborene Bildhauer, Grafiker und Maler studierte – nach Stein­bildhauer­lehre in der Eifel – in den 1950er Jahren an der Kölner Werkschule und war dort Meister­schüler in der Klasse Josef Jaekel. Seit 1970, bis zu seinem Tod 2009, lebte und arbeitete Höhnen in Frechen.

Zahlreiche seiner plastischen Arbeiten sind in Kirchen und im öffent­lichen Raum des Rheinlands zu sehen – in Köln z.B. das Jupp-Schmitz-Denkmal und vier Figuren am Rathausturm (u.a. Max Bruch und Heinrich Böll).

Zu seinen schönsten Bronzegruppen auf dem Weg durch Frechen gehören der figuren- und szenen­reiche Klüttenbrunnen (1986) an der Hauptstraße / Ecke Antoniter­straße, der an den vor­industriellen Braunkohle­bergbau im Rheinland erinnert, sowie sein Wäscherinnendenkmal (2002) auf dem ehemaligen „Bleech­plätzje“, der Bleich­wiese, im Ortsteil Hücheln, vor dem St. Katharinen Hospital.

Olaf Höhnen, Wäscherinnendenkmal, 2002. Foto: jvf
Olaf Höhnen, Wäscherinnendenkmal, 2002. Foto: jvf.

Dass Höhnen nicht nur ein Meister der erzählenden, figürlichen Plastik (mit vielleicht nostalgisch-verklärendem Einschlag) war, bezeugt sein Synagogendenkmal (1995) an der Frechener Hauptstraße.

Kirilowitsch, Schmitz-Helbig und Crummenauer

Unter den abstrakten Arbeiten an der Strecke sind besonders bemerkens­wert eine Skulptur aus Eifeler Basalt von Attila Kirilowitsch (1918-2015), Gordischer Knoten (1986) hinter der Stadt­bücherei, und eine sehr leichtfüßig-elegante Edelstahlarbeit von Marieluise Schmitz-Helbig (1925-2017), die Reifenplastik (1968), vor dem „Erlebnisbad“ an der Burgstraße.

Attila Kirilowitsch, Gordischer Knoten, 1986 / Marieluise Schmitz-Helbig, Reifenplastik, 1968. Foto: jvf
Attila Kirilowitsch, Gordischer Knoten, 1986 / Marieluise Schmitz-Helbig, Reifenplastik, 1968. Foto: jvf.

Einen spannenden Widerspruch zwischen brutalistischer Monumen­talität und beinahe spielerisch-transparenter Architektur macht unterdessen Rolf Crummenauers Betonplastik Wachstum (um 1965) an der Allee zum Sportpark auf (Abbildung siehe oben). Crummenauer (1925-1999) studierte in den 1940er und unterrichtete seit den 1950er Jahren an der Düssel­dorfer Kunst­akademie.

Der Fall Willy Meller

Drei Stationen des Skulpturen­wegs sind Plastiken und Skulpturen von Willy Meller (1887-1974) gewidmet. Angesichts einer fünf­teiligen, denkmalartigen Gruppe Die Opfer (1949) auf dem Alten Friedhof spricht das Faltblatt des Kunstvereins in vornehmer Zurückhaltung die Problematik nicht nur dieser Beton­plastiken an: Der Künstler habe hier „verschiedene Opfer­gruppen angedeutet, ohne die Schuld­frage zu stellen“.

Willy Meller, Die Opfer, 1949. Teilabbildung. Foto: jvf
Willy Meller, Die Opfer, 1949. Teilabbildung. Foto: jvf.

Die „Schuldfrage zu stellen“, wird Willy Meller in der Tat sehr fern gelegen haben. Der Kölner Bildhauer, dessen Formen­sprache sich schon vor 1933 einer national­sozialistischen Kunst­auffassung empfahl, sicherte sich nach 1933 durch seine bau­plastischen Arbeiten am Berliner Olympia­stadion und an NS-Ordens­burgen endgültig die Wert­schätzung der Nazis. 1944 wurde er in die „Gott­begnadeten-Liste“ von Goebbels Propaganda­ministerium aufgenommen, in der Künst­ler:innen verzeichnet waren, die wegen ihrer Bedeutung für die „Kultur­propaganda“ des Regimes vom Kriegs­dienst in den Streit­kräften befreit waren.

Anders als viele, von den Nazis verfolgte Künstler:innen hatte Meller auch nach 1945 eher wenig Probleme, sich lukrative Aufträge für den öffent­lichen Raum zu sichern. Alte Seil­schaften von ehemaligen Partei­genoss:innen werden dabei hilf­reich gewesen sein.

Es spricht nicht gegen den Skulpturen­weg des Kunst­vereins, dass Mellers Arbeiten aufgenommen sind – sie sind ja nunmal da. Dass es der Stadt Frechen aber, genauso wie den meisten Gemeinden in NRW, bis heute nicht gelingt, Plastiken von Nazis im öffent­lichen Raum zumindest durch Tafeln mit einordnenden Informationen zu begleiten, finde ich verstörend.

Gunter Demnigs Stolpersteine

Gunter Demnig, Stolpersteine – Frechen, vor Hauptstraße 158. Foto: jvf
Gunter Demnig, Stolpersteine – Frechen, vor Hauptstraße 158. Foto: jvf.

Auch wenn im Faltblatt des Kunstvereins nicht darauf hingewiesen wird: Auf dem Weg durch Frechen – besonders auf der Hauptstraße – sollte man Ausschau halten nach den kleinen Messingplatten im Pflaster, den Stolpersteinen.

Gunter Demnig (*1947) hat Mitte der 1990er Jahre die Idee entwickelt, mit den 10×10 cm großen Stolpersteinen an Menschen zu erinnern, die von den Nazis ermordet wurden – mit Namen und Geburts­jahr der Opfer sowie Jahr und Ort des Mords, vor ihren ehemaligen Wohn­häusern: „Vielleicht können einzelne individuelle Mahnmale mehr bewirken als Denkmale, die zum Teil weit ab liegen. Vor der eigenen Haustür wird die Verdrängung schwieriger.“

Heute gibt es in Europa mehr als 90.000 dieser individuellen Mahnmale. Der erste Frechener Stolper­stein wurde 2009 ins Pflaster vor dem Haus an der Hauptstraße 103 verlegt. Heute gibt es 51 Stolper­steine in Frechen, in der Mehrzahl entlang der Hauptstraße. Von 2011 bis 2017 arbeitete Demnig in einem Atelier im Kunst­zentrum Signal­werk am Alten Bahnhof in Frechen. Der WDR hat ein Verzeichnis der Stolper­steine in NRW mit genauen Ortsangaben erstellt: Stolpersteine NRW.

Praktische Hinweise

Das kostenlose Faltblatt des Kunst­vereins Frechen gibt es nicht nur beim Kunst­verein direkt, sondern – so höre ich – auch im Rathaus, der Kreis­parkasse und im Buch­handel vor Ort. Ich hatte Glück in der Buch­handlung Brauns in der Keimes­straße (ein sehr sympathischer Laden).

Es enthält zwei Karten, zum Auffinden der Kunst­werke sehr hilfreiche Thumbnail-Abbildungen und knappste Informationen zu den einzelnen Werken. Ein genauer Weg zwischen den Stationen wird zwar nicht beschrieben und ist auch vor Ort nicht ausgeschildert, aber man findet sich anhand der Karten des Faltblatts gut zurecht.

Allerdings sind derzeit (Herbst 2022) von den ursprüng­lich 24 nur noch 22 Entdeckungen übrig: Nach Sturm­schaden musste eine Plastik von Jan Schlesinger, die zwanzig Jahre auf der Mitte des Kreis­verkehrs am Orts­eingang von Hücheln stand, 2021 abmontiert werden. Und Gerhard Winds Relief am Post­gebäude Bahnstraße / Ecke Haupt­straße ist augen­scheinlich einer Fassaden­renovierung zum Opfer gefallen.

24 Entdeckungen – Skulpturenweg Frechen. Hg. v. Kunstverein zu Frechen e.V.. Frechen: 2020.