Kunstmaschinen / Maschinenkunst im Museum Tinguely, Basel
Analfixierter Schalk fährt Standrad
Das Museum Tinguely in Basel zeigt noch bis Ende Juni 2008 die sehenswerte und sehr amüsante Ausstellung Kunstmaschinen / Maschinenkunst.
Ich nehme das mal als Satyrspiel zur Action Painting Ausstellung der Fondation Beyeler. Die Ersetzung des Künstlers durch die Maschine könnte die konsequenteste Entgegnung auf die Ideologie des Kunstwerks als radikaler Ausdruck des Künstler-Ichs sein. Und tritt man zwei Schritte zurück und betrachtet die Maschine beim Verfertigen des Kunstwerks, wird die Idee des Action Paintings parodistisch zurückgeführt auf ihren prozessualen Kern. Den Künstler als Schalk sieht man mitunter über seine Apparatur hinweg in breites Grinsen ausbrechen.
Das wäre jedenfalls ein recht sauertöpfischer Griesgram, der keinen Spaß hätte an Martin Stiefels Aktion Die Waschmaschine: Ein von seinen Beschwerungsblöcken befreiter Frontlader, am oberen Rand mit acht Farbtrichtern versehen, tänzelt über eine weiße Fläche und erstellt per Farbdripping ein Bild. Falls Jackson Pollock darauf hin einen schlechten Tag hat, kann er sich auf jacksonpollock.org schadlos halten. Der Netzkünstler Miltos Manetas macht seit 2003 unter dieser Domain eine Flashanwendung des Online-Grafikers Michal Migurski zugänglich, die dem Mauszeiger folgend ein Pollockimitat generiert.
Dem eher analfixierten Charakter wird Roxy Paines Installation Scumak No. 2 (2001) ungetrübte Freude bereiten. Schwarzes Polyethylen wird computergesteuert in einem Trichter erhitzt und tropft sodann auf ein Fließband, Häufchen bildend, die sich unendlich langsam zu Skulpturen schichten. Ist eines dieser organisch-amorph anmutenden Materialhaufen fertig, und das mag einen Tag dauern, wird er auf in Reih und Glied bereitstehende Podeste verbracht. Nach der Simulation industrieller Massenproduktion, wenngleich absurd verlangsamt, folgt sodann die Simulation musealer Aura. Jede Annäherung an die Skulpturen wird folgerichtig vom Museumspersonal vermittels angemessener Zurechtweisung unterbunden, oral konterkariert, irgendwie.
Kindertaugliche Zerstörungsmaschinen
Ganz anders und erfreulich destruktiv die Installation des Schweizer Künstlers Antoine Zgraggen. Die Zerquetscherin und Der große Hammer (2005) sind menschhohe Apparaturen, denen eine Kunstmaschinistin Alltagsgestände aussetzt: Kaffeeservice, Blumenkästen, Reisekoffer, Nippesfigürchen. Hinter einem Plexiglasschutz kann man dann per Knopfdruck den Zerstörungsprozess auslösen (sehr kindertauglich übrigens). Auf dem Boden rund um die Zerstörungsmaschinen sammeln sich die Überreste.
Tim Lewis wischt mit seiner Installation Auto-Dali Prosthetic (2000) dem unermüdlichen Kunstproduzenten Salvador Dalí eins aus: Eine motorbetriebene, frühindustriell wirkende Armprothese versieht unermüdlich eine Papierrolle mit der Signatur des surrealistischen Selbstvermarkters. Das erinnert sehr an Arbeiten von Jean Tinguely aus den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren, die naturgemäß in größerer Zahl in der Ausstellung vertreten sind. Darunter das mir ausgesprochen sympathische Stück, der Cyclograveur aus 1960: Ein standradartiges Objekt aus Altmetall, Fahrrad- und Blechteilen, dessen Pedale eine Malvorrichtung antreiben. Mit seitlich montierter Zimbel und Blechtrommel kann man Lärm machen und dabei in dem, auf einer Haltevorrichtung befestigten Buch lesen. Warum die Ausstellungsmacher da nun ausgerechnet den Rechtschreibeduden platziert haben verstehe ich jetzt aber auch nicht.
Die noch bis Ende Juni 2008 in Basel zu besuchende Ausstellung ist eine Koproduktion des Museum Tinguely mit der Frankfurter Schirn, wo sie bis Januar diesen Jahres zu sehen war. Ein kleiner Katalog zur Schau ist für sehr moderate 24€ erhältlich.
Kunstmaschinen Maschinenkunst. Museum Tinguely, Basel (in Kooperation mit Schirn Kunsthalle Frankfurt). K: Katharina Dohm, Heinz Stahlhut. 5. März – 29. Juni 2008.