Beim Freiligrath-Denkmal in Rolandseck
„Wir sind das Volk“
Das Wetter war schön im Rheinland heute. Ich war in Rolandseck und bin den Weg hinaufgestiefelt zum Freiligrath-Denkmal, knapp unterm Rolandsbogen. Irgendwer muss ja bei dem Alten vorbeischauen und gucken, wie’s ihm geht.
Wir wurden etwas sentimental. Ich seufzte schwer, er hatte Tränen der Scham und des Zorns in den Augen. Vielleicht war es auch umgekehrt.
Wir sind das Volk, die Menschheit wir
Im Juni 1848 war Freiligrath im Kölner Arbeiterverein zu Gast, las dort sein Gedicht Trotz alledem!, daher kennen wir uns, das war ein sehr trotziges und ein sehr bitteres Beharren nach der gescheiterten Revolution der Demokraten. In der letzten Strophe heißt es:
Wir sind das Volk, die Menschheit wir,
Sind ewig drum, trotz alledem!
Und weiter vorne – und dafür hab ich ihn geliebt:
Trotz alledem und alledem,
Trotz Dummheit, List und alledem,
Wir wissen doch: die Menschlichkeit
Behält den Sieg trotz alledem!
Später hatten wir Streit. Er schrieb unsägliches Zeug, aus Liebe zur deutschen Nation, wie er damals meinte, Hurra, Germania!.
Aber dass jetzt diese Schnullernazis und Menschenfeinde seinen Slogan in den Dreck ziehen, das hat der Alte nicht verdient. „Wir sind das Volk“, das war eine stolze Selbstermächtigung der Demokraten gegen die Obrigkeit der Reaktion (1848) und dann gegen die stalinistischen Potentaten (1989).
Sie sind nicht das Volk, sie sind nur der Pöbel
Wir sprachen noch dies und das. Das Abschiedsselfie ist zu sehr verwackelt, ich war nicht wenig bewegt. Sie sind nicht das Volk, sie sind nur der Pöbel, rief er mir noch hinterher.
Wieder zu Hause lese ich nochmal die Urfassung von Trotz alledem!, eine Nachdichtung von Robert Burns’ Is there for honest poverty?. Die hat Freiligrath 1843 geschrieben, und die schließt mit:
Trotz alledem und alledem,
Es kommt dazu trotz alledem,
Daß rings der Mensch die Bruderhand
Dem Menschen reicht trotz alledem!