Kulturraum NRW


„Skulptur am Fort“ – Kunst in Köln-Marienburg

Bismarck, Kunst und Fortifikation

Ein Spaziergang zur Kunst im Zwischenwerk VIIIb in Köln-Marienburg. Die dort erhaltenen Stahlbildhauereien aus der Mitte der 1980er Jahre sind allerdings in einem schlimmen Zustand.

Ansgar Nierhoff, Ohne Titel, 1985. Zweiteilig, 1230 x 160 x 16 cm, 320 x 160 x 16 cm
Ansgar Nierhoff, Ohne Titel, 1985. Zweiteilig, 1230 x 160 x 16 cm, 320 x 160 x 16 cm.

Geht man vom Dom aus am Ufer links­rheinisch nach Süden, bergwärts, kommt man am Bayenthal zum Bismarck-Turm (nach 4½ km). Auf dem Weg dahin sollte man aber die Signal­säule („Leucht­turm“) am Elisabeth-Treskow-Platz nicht übersehen – auf sie wird noch zurückzukommen sein.

Der Bismarck-Turm also, ein schlimmes Etwas ist dieser Turm vom Anfang des vorigen Jahr­hunderts, 27 Meter hoch. Die Entwürfe kamen seinerzeit von dem Berliner Architekten Arnold Hartmann. Der ursprüngliche Plan sah eine mächtige Basis vor, die den Turm auf eine Gesamthöhe von 36 Metern gebracht hätte, aber dafür fehlte zum Glück das Geld. Das Ding war spenden­finanziert, den größten Teil brachte der Schokoladen­fabrikant Stollwerck bei.

Links und rechts Sieger- oder Totenkränze, in der Mitte ein Bismarck als Ritter Roland, der Kopf ist rechteckig eingezwängt in einen Helm. Bismarcks Hände halten ein monströses Schild mit Adler und Krone und Schweif. Die Hände sehen weniger nach Rüstung aus, schon eher nach Winter­handschuhen – ich glaube, der ausführende Bildhauer (Adolf Berchem) war von minderem Geschick.

Bismarck-Turm Köln, 1903
Bismarck-Turm Köln, 1903.

Die Bismarck­verehrung hatte in Köln einige Tradition. 1875 verlieh die Stadt dem „eisernen Kanzler“ die Ehrenbürger­würde – „in dankbarer Anerkennung seiner ruhmreichen Wirk­samkeit als weiser Lenker des Staates“ wie es im Ehrenbürger-Diplom hieß. 1879 dann wurde auf dem Kölner Augustiner­platz das erste Bismarck-Denkmal Preußens überhaupt errichtet. Es ist heute nicht mehr erhalten.

Am 21. Juni 1903 schließlich wurde der Turm zwischen Bayenthal­gürtel und Oberländer Ufer eingeweiht. Zu Beginn des Festaktes sang man „Die Wacht am Rhein“.

Einem Bericht über den Festakt im Kölner Local-Anzeiger ist weiter zu entnehmen, dass der Oberlandesgerichts­präsident Dr. Hamm seine Rede nutzte zu wütenden Ausfällen gegen die „Social­demokraten“, die dem Festakt fern geblieben waren, „Herz und Hirn verwirrt durch die Fieberhitze ihres Klassenhasses“ (Kölner Local-Anzeiger, 22. Juni 1903, S. 7).

Bemerkenswert frech urteilte übrigens der Reporter des Local-Anzeigers über das „turmartige Denkmal“: Es wirke „mehr durch Wuchtigkeit als Schönheit“.

Verblüffenderweise blickt diese Bismarck-Karikatur trutzig nach Nordosten, grob in Richtung Berlin, nicht nach Südwesten hinüber zum Erbfeind, den Franzosen. Ich weiß nicht, was das meint, wohl eher Pech bei der Standort­wahl als eine kleine Spitze des katholischen Kölns in Erinnerung an den „Kulturkampf“.

Das Zwischenwerk VIIIb

Zwischenwerk VIIIb
Zwischenwerk VIIIb.

Aber eigentlich soll es um etwas anderes gehen. Einen guten Kilometer weiter den Rhein hinauf und ein paar Schritte den Militärring hinunter, kommt man zum Zwischenwerk VIIIb.

Im Jahrzehnt nach der Reichs­gründung 1871, also zu Zeiten des „eisernen Kanzlers“, wurde Köln durch einen neuen Befestigungs­ring zur größten Festung Deutschlands ausgebaut. Acht Forts links­rheinisch, vier Forts rechts­rheinisch bildeten die Hauptwerke der neuen Fortifikation. Hinzu kamen 23 Zwischenwerke. Das Zwischenwerk VIIIb in Marienburg bildete im links­rheinischen Süden den Abschluss des Rings zum Rhein hin. Es ist heute das am besten erhaltene dieser Werke und beherbergt das Kölner Festungs­museum. Und es beherbergt eine ganz außer­gewöhnliche Zusammen­stellung von Stahlbildhauerei der 1980er Jahre.

„Skulptur am Fort“

Der Gründer des Kunstraums Fuhrwerkswaage in Sürth, Jochen Heufelder (*1949 in Köln), organisierte im Frühjahr 1985 eine Ausstellung vornehmlich von Stahl­bildhauerei im Graben und auf dem Plateau des Zwischenwerks. Unter dem Titel „Skulptur am Fort“ waren, neben einer eigenen Arbeit Heufelders, weitere sieben Werke anderer Künstler zu sehen, die in dieser Zeit in Köln tätig waren:

Kunst am Fort: Jochen Heufelder, Ohne Titel, 1985. Stahl, Erde, 270 x 1596 x 160 cm
Kunst am Fort: Jochen Heufelder, Ohne Titel, 1985. Stahl, Erde, 270 x 1596 x 160 cm.

Die Ausstellung war zunächst auf ein Jahr angelegt, vom Mai 1985 bis Mai 1986. Sechs der ursprüng­lich acht Arbeiten sind aber heute noch vor Ort – mehr oder weniger – erhalten. Eine Arbeit davon ist allerdings wegen Baufälligkeit der Anlage nicht mehr (gefahrlos) zugänglich.

Der Zustand der Kunst

Die Kunst ist freilich in einem schlimmen Zustand. Seltsamer­weise erscheint es Sprayern attraktiver, Kunst aus den 1980er Jahren mit ihren Tags und bubble-style writings zu versehen (ziemliche wacks, wenn man mich fragt) als sich des Mauerwerks des preußischen Militarismus anzunehmen.

In einem Grußwort zum Katalog, der seinerzeit zur Ausstellung erschienen ist, schrieb der damalige Kultur­dezernent der Stadt, Peter Nestler, von Köln als „einer Stadt, die zwar ihren Ruf als kulturelle Metropole genießt, zugleich aber ein auffallendes Defizit an Kunst im öffentlichen Raum aufweist“ (Skulptur am Fort, S. 5).

Ich weiß nicht, ob die Diagnose heute noch so haltbar ist – über Defizite in der Erhaltung von Kunst im öffentlichen Raum kann man aber nicht hinwegsehen.

Ortsspezifische Kunst

Kunst am Fort: Werner Rückemann, Ohne Titel, 1985. Stahl, zweiteilig, 500 x 300 x 1 cm, 500 x 170 x 1 cm
Kunst am Fort: Werner Rückemann, Ohne Titel, 1985. Stahl, zweiteilig, 500 x 300 x 1 cm, 500 x 170 x 1 cm.

Der ortspezifische Charakter der Werke ist am unmittel­barsten nach­vollziehbar an zwei Arbeiten von Werner Rückemann und Edgar Gutbub. Rückemanns zweiteilige Stahlskulptur Ohne Titel kann man als vergegenständ­lichten Einschlags­vektor eines Geschosses nehmen, das sich durch das Erdreich des Frontgrabens wühlt.

Und Gutbubs dreiteilige Arbeit Ohne Titel – die einzige, die nicht aus Stahl, sondern aus Beton und Holz gearbeitet ist – erinnert an zu klein geratene Bunker­zugänge oder vielleicht auch an Unterstände mit Schieß­scharten. Die Innenräume waren ursprünglich schwarz ausgekleidet, so dass der Blick ins Innere sich in einer undefinierten Leere verlor.

Kunst am Fort: Edgar Gutbub, Ohne Titel, 1985. Beton, Holz, dreiteilig, Grundfläche ca. 3 x 4 m, Höhe ca. 0,8 m
Kunst am Fort: Edgar Gutbub, Ohne Titel, 1985. Beton, Holz, dreiteilig, Grundfläche ca. 3 x 4 m, Höhe ca. 0,8 m.

Die Arbeiten von Jochen Heufelder und Ansgar Nierhoff, die beide besonders stark durch Graffiti beschädigt sind, vermessen, markieren und reflektieren die räumliche Struktur des Grabens und seines Mauerwerks (Bilder siehe oben).

Eine Gegenposition macht unterdessen Alfred Karners aus Stahl und Stahldraht montierter, leichtfüßiger Balanceakt auf. Sein Ohne Titel tritt gegen die monströse Stabilität der Fortifikation an – und ist das am besten erhaltene Stück im Areal.

Kunst am Fort: Alfred Karner, Ohne Titel, 1985. Stahl/Stahldraht, 450 x 250 x 150 cm
Kunst am Fort: Alfred Karner, Ohne Titel, 1985. Stahl/Stahldraht, 450 x 250 x 150 cm.

Fehlstellen: Prager, Fritsch und Reineking

Ich rate dazu, nicht das baufällige Plateau der Befestigungs­anlage zu erklettern. Oben ist Heinz-Günter Pragers an sich sehr schöne Liegende Zylinder­skulptur 4/85 erhalten, die allerdings auch durch Graffiti schwer beschädigt ist.

Kunst am Fort: Heinz-Günter Prager, Liegende Zylinderskulptur 4/85, 1985. Stahl, 105 x 700 x 280 cm
Kunst am Fort: Heinz-Günter Prager, Liegende Zylinderskulptur 4/85, 1985. Stahl, 105 x 700 x 280 cm.

Zwei Werke aus dem Ensemble von 1985/86 fehlen heute vor Ort gänzlich. Lutz Fritsch (*1955 in Köln) hatte drei Stahlrohre von roter und türkiser Signalfarbe in Augenhöhe horizontal an das Mauerwerk montiert, als eine Art Wege- und Blick­leitsystem (Ohne Titel, 25m ⌀ 3,5cm / 26m ⌀ 3,5cm / 4,6m ⌀ 60[?]cm). Davon ist nichts mehr übrig.

Für einen Eindruck von den Arbeiten Lutz Fritschs kann man sich aber mit zwei Werken behelfen, die nicht allzu weit vom Zwischenwerk entfernt aufgestellt sind und mehr als zwanzig Jahre nach der „Kunst am Fort“ entstanden sind.

Einen guten Kilometer den Militärring nach Westen entlang, auf dem Verteiler­kreis, ragt die Standortmitte 50 Meter in die Höhe. Und 3 km den Rhein hinunter, am Elisabeth-Treskow-Platz, verwirrt der Leuchtturm die Rheinschiffahrt.

In Ossendorf, vor dem Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW an der Hugo-Eckener-Straße, ist zudem Fritschs zweiteilige, orange-türkise Säulen­konstellation Von Maß zu Maß (1991) zu sehen.

Lutz Fritsch, Leuchtturm / Standortmitte, 2008 / Von Maß zu Maß, 1991
Lutz Fritsch, Leuchtturm / Standortmitte, 2008 / Von Maß zu Maß, 1991.

James Reinekings, bereits 1981 entstandene Skulptur Anrührung, die seinerzeit zusammen mit Pragers Zylinder­skulptur auf dem Dach des Werks installiert war, ist heute in den Skulpturenpark des Museums Morsbroich verschafft. Das hat allerdings den großen Vorteil, dass sie vorzüglich erhalten ist.

Nierhoff und Prager im Kölner Stadtraum

Neben Fritsch haben auch Ansgar Nierhoff und Heinz-Günter Prager jenseits des Zwischenwerks im öffentlichen Raum der Stadt Köln deutliche Spuren hinterlassen.

Von Nierhoff, der während und nach Studium an der Düsseldorfer Kunst­akademie seit 1965 in Köln lebte und arbeitete, gibt es zum Beispiel die sehr faszinierende Bespielung des Platzes um die Dominikaner­kirche St. Andreas in der Kölner Altstadt, Lichtung zu Einem (1992), oder eine hübsche, frühe Arbeit in Lindenthal: Doppelkörper mit flexiblem Stahlnetz (1971). Etwas spröde vielleicht ist die Kölner Streckung (1995) am Alteburger Wall in der Südstadt.

Ansgar Nierhoff, Lichtung zu Einem, 1992 / Doppelkörper mit flexiblem Stahlnetz, 1971 / Kölner Streckung, 1995
Ansgar Nierhoff, Lichtung zu Einem, 1992 / Doppelkörper mit flexiblem Stahlnetz, 1971 / Kölner Streckung, 1995.

Prager lebt und arbeitet nach Studium an der Werkkunst­schule Münster seit 1968 in Köln. Prominent platziert ist seine Doppelachse (1986) auf dem Friesenplatz und das Kreuzstück Peter und Paul 10/90 (1990) im Garten hinter St. Gereon.

Heinz-Günter Prager, Doppelachse, 1986 / Kreuzstück Peter und Paul 10/90, 1990
Heinz-Günter Prager, Doppelachse, 1986 / Kreuzstück Peter und Paul 10/90, 1990.

Ins Offene Grün

Wenn die Sonne noch scheint, lohnt der Weg (1½ km) weiter nach Süden zum Forst­botanischen Garten in Rodenkirchen. Da kann man prima spazieren gehen (wenn es gelingt, den Verkehrslärm drumherum gedanklich auszublenden). Und seit 2001 kümmert sich der SüdKunst e.V. unter dem Titel „Offen Grün“ um Skulpturen im Garten. Die kommen sehr viel leichter und teilweise recht heiter daher – verglichen mit der Kunst am Fort.