Kulturraum NRW


Anreise – Wandern in Westfalen

Mit Kutsche, Bahn und Dampfschiff

Das Reisen mit der Postkutsche ist mühsam und teuer. Die Eisenbahn bringt Mitte des 19. Jahrhunderts erhebliche Beschleunigung. Eine gute Alternative für Reisende ist das Dampfschiff.

Weser bei Höxter
Weser bei Höxter.

Für Reisende im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Post­kutsche das wichtigste Verkehrs­mittel. Man darf sich das aus heutiger Sicht keineswegs „romantisch“ vorstellen. Die Anreise nach Westfalen mit der Kutsche erfordert einige Resilienz und ein gut gefülltes Geld­sackerl.

Der Genealogische Schreib- und Post-Calender für 1765 gibt Hinweise auf die zu erwartende Reise­geschwindigkeit. Man könne „auf jede Meile, wann die Wege gut und die Posten nicht schwer beladen sind, 1½ Stunde, die mehreste Zeit aber 2 Stunden rechnen“. Die Meile meint hier die damalige „preußische Land­meile“, also rund 7,5 Kilometer. Die Reise­geschwindigkeit mit der Post­kutsche läge also bei etwa 4 bis 5 km/h. Nicht so arg viel schneller als Wander*innen unterwegs sind.

Mit der Postkutsche von Köln nach Minden

Nehmen wir mal an, westfalen­interessierte, rheinische Wander*­innen wollen von Köln nach Minden anreisen, um von der Porta Westfalica aus das Land zu erkunden. Der literarische Reise­führer von Freilig­rath und Schücking, Das malerische und romantische Westphalen, (1841/42, siehe Westfalen­romantik) empfiehlt genau das.

Seit 1713, so lese ich, ist die Postkutschen­verbindung von Köln nach Minden hergestellt, nachdem sich die Preußische und die Kaiser­liche Reichspost dazu verständigt haben [Stephan, S. 152]. Aus den historischen Verzeich­nissen der „Post-Coursen“ ist aber nur schwer zu entnehmen, wie gut das funktioniert.

Post- und Reisekarte von Deutschland. 1870. Ausschnitt. Digitalisat: ETH-Bibliothek
Post- und Reisekarte von Deutschland. 1870. Ausschnitt. Digitalisat: ETH-Bibliothek.

Für den Juli 1835 aber lässt sich die Verbindung genauer be­schreiben, anhand des Verzeichniß der Postcourse im Berliner Kalender auf das Schalt Jahr 1836, S. 36/45f.

Man nimmt zunächst an einem Sonntag oder Mittwoch die erste Schnellpost (Nr. 151) um 7:15 Uhr ab Cöln nach Elberfeld (über Deutz, Mülheim am Rhein, Opladen, Langenfeld, Solingen und Cronenberg). Die Ankunft in Elberfeld ist nach 6½ Meilen für 14:00 Uhr geplant.

In Elberfeld erfolgt am frühen Abend der Umstieg auf die aus Düsseldorf kommende Nr. 213 nach Minden, eine normale „Fahrpost“, keine „Schnellpost“, mit Halt an den Post­stationen in Schwelm, Hagen, Brüning­hausen, Unna, Werl, Soest, Lippstadt, Wieden­brück, Bielefeld und Herford. Die Ankunft in Minden erfolgt nach 27½ Meilen am Dienstag bzw. Freitag um 20:00 Uhr.

Insgesamt wären unsere Wander*innen also über 60 Stunden unterwegs. Am Stück kaum machbar, aber für Aufenthalte unterwegs gibt es das Problem, dass die Düsseldorf-Mindener Route nur zweimal die Woche bedient wird.

Aber das ist nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch in finan­zieller Hinsicht kein Spaß. Das Personen­geld pro Meile ist 1835 für die Schnellpost auf 10 Silber­groschen, für die Fahrpost auf 8½ festgesetzt. Das macht auf der insgesamt 34 Meilen langen Strecke zusammen 9 Thaler und 28¾ Silber­groschen. Zwar sind darin 30 Pfd. Freigepäck bereits inkludiert. Nach Kaufkraft­äquivalenz in heutige Euro umgerechnet, wären das aber kaum weniger als 400 Euro pro Person.

Mietkutschen sind in Sachen Flexibilität eine gute Alter­native, aber – zumindest für Einzel­reisende – deutlich teurer und auch nicht wirklich schneller.

Mit der Bahn von Köln nach Minden

Anzeige Köln-Mindener Eisenbahn. Stadt-Aachener Zeitung, Nr. 1847/285 (12. Oktober 1847), S. 4. Digitalisat: zeit.punktNRW
Anzeige Köln-Mindener Eisenbahn. Stadt-Aachener Zeitung, Nr. 1847/285 (12. Oktober 1847), S. 4. Digitalisat: zeit.punktNRW.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts bringt die Eisenbahn eine ganz ungeheure Beschleunigung für das Reisen. Ab 15. Oktober 1847 verbindet die Stamm­strecke der Cöln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft zunächst Deutz und Minden. 12 Jahre und einige Wochen nach der über 60 Stunden dauernden Postkutschen­fahrt ist nunmehr die Strecke einmal täglich in 9 Stunden zu schaffen (ab Deutz 7:00, an Minden 16:00 Uhr).

Seit der Einweihung der Eisenbahn­brücke über den Rhein und des Centralbahnhofs 1859 kann man auch direkt in Köln die Reise antreten. Hendschel’s Telegraph vom Juni 1865 [S. 126ff.] ent­nehme ich die Details der Verbindung: Die Strecke Köln-Minden wird jetzt dreimal täglich in 5 bis 5¾ Stunden bedient.

Die beste Verbindung für unsere rheinische Wander*innen ist der Schnellzug, der um 7:00 Uhr den Kölner Central­bahnhof verlässt und in Minden um 12:43 Uhr eintrifft. Die Strecken­führung umgeht wg. geringerer Baukosten das Bergische Land: Der Schnell­zug hält unterwegs in Düsseldorf, Duisburg, Oberhausen, Essen, Dortmund, Hamm, Bielefeld, Herford und Bad Oeynhausen.

Noch schneller unterwegs ist der abendliche Courierzug, der in Köln um 19:15 Uhr abfährt und nach knapp 5 Stunden in Minden eintrifft, allerdings etwas ungünstig um 00:09 Uhr. Die billigste Verbindung ist der nächtliche Eilzug, mit Abfahrt um 22:30 und Ankunft um 04:07 Uhr.

Kölner Centralbahnhof, zwischen 1890 und 1900. Quelle: Wikimedia Commons
Kölner Centralbahnhof, zwischen 1890 und 1900. Quelle: Wikimedia Commons.

Die Fahrt ist deutlich günstiger als die Postkutschen­verbindung, aber im Vergleich zu heutigen Preisen noch immer recht teuer. Die reguläre Karte der 1. Klasse kostet für den Schnell- und Courier­zug 8 Thaler 29½ Silber­groschen, für die 2. Klasse 5.29½, für die 3. Klasse 4.15 (keine 3. Klasse im Courierzug). Nach Kaufkraft­äquivalenz entspräche das heute etwa 276 Euro (bzw. 184€ und 138€). Für den Eilzug ist der Fahrschein 1. Klasse für 6.29½ zu haben.

Für anreisende Wander*innen ist das naturgemäßg kein Problem, aber die Freigepäck­grenze liegt bei 50 Pfund. Je 10 Pfd. Über­gepäck sind weitere 8 Silber­groschen fällig.

Heute braucht die IC-Direktverbindung vom Kölner Haupt­bahnhof nach Minden nurmehr 2½ Stunden (Normalpreis: 87,60€ / 51,90€). Die Fahrt­dauer mit dem Automobil dauert – laut ein­schlägiger Routen­planer – in etwa genauso lang, aber was will man als Wander*in mit einem Automobil am Startpunkt der Wanderung?

Mit dem Dampfschiff von Köln nach Wesel

Deutlich einfacher ist die Anreise aus dem Rheinland, beginnt man die Wanderung durch Westfalen im nieder­rheinischen Wesel. Seit 1827 verkehren Dampf­schiffe auf dem Rhein, die ein deutlich angenehmeres Reisen als in Post­kutschen ermöglichen.

Die Verbindungs­dichte und die Verkehr­szeiten ändern sich je nach Saison. Für den Herbst 1847 entnehme ich einer Zeitungs­anzeige, dass das Dampf­schiff der Kölnischen Gesell­schaft täglich um 07:00 Uhr von Köln in Richtung Niederrhein fährt, die Düssel­dorfer Gesell­schaft bedient die Strecke vier mal wöchentlich (Mo, Mi, Do u. Sa) mit Abfahrt ab Köln um 16:30 Uhr.

Anzeige Kölnische Gesellschaft. Stadt-Aachener Zeitung, Nr. 1847/297 (24. Oktober 1847), S. 4. Digitalisat: zeit.punktNRW
Anzeige Kölnische Gesellschaft. Stadt-Aachener Zeitung, Nr. 1847/297 (24. Oktober 1847), S. 4. Digitalisat: zeit.punktNRW.

Die Dampfschiffe der Cölnischen und Düsseldorfer Gesell­schaft fahren 1865 (Hendschel’s Telegraph, S. 266) täglich um 19:00 Uhr in Köln ab. Die reine Fahrtzeit beträgt stromabwärts nur 6 Stunden, allerdings gibt es in Düsseldorf einen 1½-stündigen Aufenthalt, so dass die Reisenden erst um 2:30 Uhr in der Früh in Wesel anlanden.

Das Billet für den Salon kostet erschwingliche 1 Thaler 2 Silber­groschen (≈ 33 Euro). Noch etwas günstiger ist die Fahrt in der „Vorcajüte“, aber im Baedeker von 1842 lese ich den etwas ominösen Hinweis: „Der Salon ist der von anständigen Leuten am meisten besuchte Platz“ [S. 324], vielleicht ist es also besser, die Vorcajüte zu vermeiden. Die Freigepäck­grenze liegt bei 100 Pfd.

Die Cöln-Mindener Eisenbahn fährt Wesel seit 1856 an. Es gibt 1865 mehrere Verbindungen täglich (mit Umstieg in Oberhausen), die Schnellzug­verbindung ist kaum mehr als 2 Stunden unterwegs, allerdings ist die Anreise deutlich teurer als mit dem Dampf­schiff, für die 1. Klasse mehr als dreimal so teuer (3.15, 2.10½, 1.23).

Heute wird man noch eine Station weiter an die alte Grenze zum Fürst­bistum Münster anreisen, nach Hamm­inkeln nämlich. Die Fahrt von Köln aus dauert mit Umstieg in Wesel 100 Minuten (40,70€ / 26,10€).

Quellen